Mi 22.12.2021 Flug nach Tunis
Die Jasmin- Revolution liegt zehn Jahre zurück. Jasmin ist die Nationalblume Tunesiens. Damals hat das Volk sich gegen die Diktatur unter Präsident Ben Ali aufgelehnt und ging für Freiheit und Demokratie auf die Straßen. Dieser Volksaufstand wurde Arabischer Frühling genannt.
Doch wie sieht es jetzt im Land aus? Nach der Revolution kamen die Attentäter des IS und die Touristen blieben weg. Und nun kommt noch die Corona- Pandemie dazu. Die Infrastruktur und das Gesundheitswesen liegen am Boden. Korruption und Misswirtschaft blühen. Es gibt viele arme Menschen, eine ganze Generation hat keine Arbeit. Die Tunesier haben im Gegensatz zu ihren Nachbarn die Demokratie und die Meinungs- und Redefreiheit, die ihnen zuvor versagt war. Doch was ist das hier wert? Demokratie kann man nicht essen, aber Opposition ohne Folterdrohung ist die Grundlage für freies Bürgertum. Tunesien befindet sich derzeit im Irrgarten der Freiheit und an der Schwelle zur Anarchie.
Den Machthabern in Ägypten und den Scheichs am Golf war die aufklärerische Entwicklung ebenso ein Dorn im Auge wie die erfolgreiche Einbindung der Muslimbruderschaft. Als Kairo dem Präsidenten Kais Saïed ägyptische Generäle "beratend" zur Seite stellte, entließ dieser Ende Juli die Regierung in Tunis, setzte die Aktivitäten des Parlaments aus und die Verfassung außer Kraft. Er ordnete vorübergehend außerordentliche Maßnahmen an, die Demonstrationen und Unruhen zur Folge hatten. Aktuell hat Saïed mit der Geologie-Professorin Nejla Bouden Romdhane zum ersten Mal in der Geschichte eine Frau zur Premierministerin ernannt. Sie hat inzwischen ihr Kabinett gebildet und sich die Korruptionsbekämpfung zur Hauptaufgabe gemacht. Es blüht wieder Hoffnung auf im "Demokratielabor der arabischen Welt", wie die TAZ das Land einst nannte. Und noch eine Frau besetzt eine entscheidende Position: Souad Abderrahim ist bereits seit 2018 in Tunis die erste frei gewählte Bürgermeisterin einer arabischen Hauptstadt.
Anmerkung 11/2023: Tunesien ist in den letzten 2 Jahren unter dem Präsidenten Kais Saïed zu einer Diktatur geworden!
Ich habe mir wieder mal ein Land mit politischen Unruhen und großen sozialen Verwerfungen als Reiseziel ausgesucht und diesmal eine Gruppen- Rundreise bei SKR Reisen, Köln, gebucht.
Wie bei meinen letzten Reisen habe ich von dem Angebot "Parken und Fliegen" Gebrauch gemacht. Man reist am Abend vor dem Abflug mit dem Auto an, übernachtet im Hotel und lässt sich am nächsten Morgen mit dem hoteleigenen Shuttle zum Airport fahren - und bei Rückkehr wieder abholen. Diesmal fiel meine Wahl auf das Best Western in Groß-Gerau. Das eigene Auto wartet auf dem überwachten Hotelparkplatz bis zur Rückkehr vom Urlaubsziel. Kein Stress, keine Hektik - ganz entspannte An- und Abreise.
Mit einem vollbesetzten alten Airbus A320 der Tunisair geht es mittags von Frankfurt in die tunesische Hauptstadt. An Bord ist Masketragen Pflicht. Ich sitze in der Holzklasse Schulter an Schulter direkt neben dem Sitznachbarn während ich im Supermarkt zuhause 1,5 m Abstand halten soll. Das ist nicht nachvollziehbar, der totale Leichtsinn! Es wäre durch den Veranstalter zu verhindern gewesen, wenn auch gegen Aufpreis.
Diese Reise habe ich schon Anfang des Jahres gebucht. Damals gingen die Experten davon aus, dass die Corona- Pandemie bis zum Jahresende vorbei sein würde. Es sollte anders kommen. Die vierte Welle der Corona- Pandemie hat die Welt überrollt. Die Infizierten- und Todeszahlen der Omikron- Variante sind besorgniserregend hoch. Ich habe mir Anfang Dezember die dritte Impfung, die sogenannte Booster- Impfung, beim Hausarzt geholt. Tunesien ist weder Hochrisikogebiet noch Virusvariantengebiet. Neben dem Impfnachweis wird aber von jedem Einreisenden zusätzlich ein aktueller PCR-Test mit negativem Ergebnis verlangt. Ich bin optimistisch was das Restrisiko einer Ansteckung betrifft. Am Abreisetag empfiehlt das RKI der Bevölkerung die "Reduktion von Reisen auf das unbedingt Notwendige". Die Warnung kommt zu spät, jetzt gibt es kein Zurück mehr für mich.
Am Flughafen von Tunis wird unsere Reisegruppe in Empfang genommen von Reiseleiter Dr. Mouldi Hammami, der uns auf dem Bustransfer zum Hotel in Gammarth begleitet. Dr. Hammami ist Vorstandsmitglied der Deutsch- Maghrebinischen Gesellschaft, Bonn, und war in vielen leitenden und repräsentativen Funktionen tätig. Er hat Germanistik und Alte Geschichte in Tunis und Heidelberg studiert und in Salzburg promoviert. Wir haben also einen "Hochkaräter" als Reiseleiter und dürfen ihn Mouldi nennen.
Unser Busfahrer heißt Salah. Er wird uns sicher durch sein Land fahren.
Merkwürdig scheint mir bei der Ankunft in Tunis, dass nur sehr wenige Inländer eine Gesichtsmaske tragen. Das setzt sich bei Ankunft im ersten Übernachtungshotel fort und gilt für die gesamte Reise, also für alle Souks, Ladenlokale, Restaurants und Hotels. Reiseleiter Mouldi, dem wir eine hohe Seriosität unterstellen, erklärt auf Nachfrage, es gebe "kaum Corona in Tunesien". Warum schreibt das tunesische Gesundheitsmisterium dann Masken vor? Die Vernachlässigung der Corona- Schutzvorschriften soll sich noch rächen.
15 km von Tunis entfernt und in unmittelbarer Nähe des malerischen Dorfes Sidi Bou Said heißt uns das riesige 5-Sterne- Hotel El Mouradi Gammarth willkommen. Es wird unsere Unterkunft für die nächsten drei Übernachtungen sein. Bei der Sterneklassifizierung handelt es sich um die tunesische Lesart. Um sie mit den deutschen Standards vergleichbar zu machen, empfiehlt es sich, 1 bis 1,5 Sterne abzuziehen, insbesondere bei der Qualität der Restaurantküchen. Im Restaurant des El Mouradi erwartet uns ein erstes gemeinsames Dinner.
Unsere Gruppe besteht aus 10 Reisenden.
Mittlerweile ist es datenschutzwahnrechtlicher Brauch der Reiseveranstalter geworden, den Teilnehmern einer Gruppenreise eine Teilnehmerliste vorzuenthalten. Daher habe ich ein Formular vorbereitet, auf dem sich jeder, der will, mit Namen und email- Adresse eintragen kann. Wir sind eine recht heterogene Gruppe und vereinbaren das DU auf der Reise.
Tunesien ist das nördlichste aller afrikanischen Länder und liegt zwischen Algerien im Westen und Libyen im Süd-Osten. Für die Araber gehört Tunesien zum Maghreb – dem "heiligen Vogel". Das Land bildet den rechten Flügel dieses Vogels, während Algerien der Leib und Marokko sein linker Flügel sind. Neben dem Tourismus ist der Export von Phosphaten die größte Einnahmequelle in Tunesien.
Nationale Währung ist der Tunesische Dinar (1 Euro = ungefähr 3,25 TND). Er hat in den letzten 10 Jahren um mehr als die Hälfte an Wert verloren und im Gleichschritt mit ihm auch die Kaufkraft der Tunesier.
Man spricht Arabisch und Französisch, von beiden Sprachen beherrsche ich nur ein paar Brocken. Deshalb habe ich einen kleinen Helfer mitgenommen, einen "Dolmetscher für die Hosentasche". Pocketalk heißt er. Es ist ein leichtes und kleines, KI-gesteuertes Sofort-Sprachübersetzungsgerät für unterwegs, das Sprachen in Echtzeit übersetzt - ideal für Weltreisende! Eine Alternative ist die Handy-App "Übersetzer" (Android) von Microsoft.
Wieder einmal habe ich meine Reise auf der Internet- Krisenvorsorgeliste des Auswärtigen Amtes namens "Elefand" registriert.
Vorab ein paar Worte/Sätze Arabisch:
Guten Tag – "As-Salamu alaykum", darauf erwidert man "Waalaykum as-salam"
Auf Wiedersehen – "ma a s-salama"
Danke – "Schokran"; kann man sowohl höflich als Dankeschön! benutzen, als auch energisch ausgesprochen "La schokran!" als Nein Danke!
Nein - "La"
Ja - "Na' am" (feststelled "haqqan")
Do 23.12.2021 Tunis – Karthago – Sidi Bou Said - Tunis
Mouldi hat unser Proramm für heute etwas mit dem für morgen gemischt.
Wir laufen durch die Ruinen des antiken Karthago, über Jahrhunderte hinweg eines der wichtigsten Handelszentren des Mittelmeeres. Tanid oder Tunis, wie es heute heißt, war einst eine kleine Vorstadt des mächtigen Karthago. Als dieses zerstört wurde, kam die Stunde von Tunis, das heute zu den wichtigsten Handelsstädten in der Region zählt.
Die Ruinen der im Jahre 146 v.Chr. von den Römern bis auf die Grundmauern zerstörten Stadt Karthago zählen zum UNESCO-Weltkulturerbe, es handelt sich sowohl um Überreste aus punischen als auch römischen Zeiten.
Wie sagte Cato der Ältere damals bei jeder Gelegenheit: Ceterum censeo Carthaginem esse delendam ("Im Übrigen bin ich der Meinung, dass Karthago zerstört werden muss"). Er setzte sich mit seiner Meinung durch. Die Karthager wurden von den Römern Poeni (Punier) genannt.
Karthago, das war die Stadt Hannibals, des Heerführers, der 218 v.Chr. mit seiner Armee nebst Kampfelefanten über die Alpen gegen Rom zog. Nur kam es nie zur Erstürmung der römischen Hauptstadt. Hannibal stand nach der gewonnenen Schlacht von Cannae mit seinem Heer vor den Toren Roms ("Hannibal at portas!") - und wich mit seinem Heer nach Süditalien aus... ein folgenschwerer Fehler.
Unseren Rundgang beginnen wir am Tophet, der punischen Kindergrabstätte. Die Griechen verbreiteten Berichte, wonach es hier zu Menschenopfern gekommen sei. Familien hätten ihren erstgeborenen Sohn hier verbrannt und den Göttern geopfert. El, Astarte und Baal sind die Hauptgötter der Katharger. Manche sprechen auch vom Gott Moloch, andere von Tanit, der großen Muttergottheit. Auf dem parkähnlichen Areal sind zahlreiche Grabsteelen zu sehen. Der Legende nach gehen Kinderopfer in alter Zeit bis auf Abraham zurück, der im letztem Moment von seinem Gott von der Tötung seines Sohnes Isaak abgehalten wurde.
Die heutige Geschichtsforschung ist sich nicht einig. Haben die Karthager tatsächlich den Göttern zur Abwehr von Krieg, Hungersnot und Staatskrise ihre Erstgeborenen geopfert oder handelt es sich bei den Gräbern am Tophet um Ruhestätten für Totgeburten und im Säuglingsalter verstorbene Kinder? Säuglingstötungen waren damals auch bei den Römern nicht ungewöhnlich.
Wir folgen der Straße, die direkt auf den ehemaligen Kriegshafen Karthagos zuläuft. Die Anlage hatte einen Durchmesser von 325 m und bestand aus einer Insel (Sitz der Admiralität) umgeben von einem ringförmigen Kanal. Die Insel und der umgebende Kanal wurden von zahlreichen Bootshäusern gesäumt. Der Kriegshafen bot Platz für 220 Galeeren, sein Zugang erfolgte ausschließlich durch den vorgelagerten Handelshafen und war damit vom Meer nicht einsehbar.
Hier am Kriegshafen steht auch die Villa des franz. Schriftstellers Gustave Flaubert, der Leben und Sterben im alten Karthago in seinem Roman "Salammbô" beschreibt. Vieles ist darin von ihm erdichtet. Katharger, Phönizier und Punier sind übrigens dasselbe Volk. Die phönizische Prinzessin Elissa aus Tyros gründete die Stadt Karthago der Legende nach als Folge eines listigen Deals mit einem örtlichen Häuptling. Danach kaufte sie ihm soviel Land ab, "wie eine Kuhhaut umspannen konnte". Sie ließ die Kuhhaut in hauchdünne Streifen schneiden und markierte damit das riesige spätere Stadtgebiet.
Die Katharger waren übrigens hervorragende Seefahrer, denen u.a. die Entdeckung Südamerikas im 1. oder 2. Jh. v.Chr. zugeschrieben wird. So sollen viele von ihnen über den Amazonas bis ins Andengebiet vorgedrungen sein, wo sie die Rundbauten und Festungen der Chachapoyas im heutigen Peru errichteten. Leider gibt es bisher keine eindeutigen Beweise dafür. Der Kulturwissenschaftler Hans Giffhorn berichtet davon in seinem lesenswerten Buch "Wurde Amerika in der Antike entdeckt?". Wo auch immer die Katharger hinkamen, ihr größter Exportschlager waren immer die mit Purpur gefärbten Tücher.
Weiter geht es durch einen archäologischen Park mit zahlreichen Bodenmosaiken zu den weiträumigen Antonius-Pius-Thermen, sicher ein Highlight der damalige Badekultur. Mit einer Ausdehnung von 200 m Länge war es die größte Thermenanlage der afrikanischen Provinzen Roms.
Unmittelbar an den Park grenzt der schwerbewachte Präsidentenpalast von Kais Saïed. Auf dem Gelände hat er sich kürzlich aus Furcht vor Attentätern eine eigene Moschee bauen lassen.
Wir besichtigen die Zisternen von Maalga, die Wasserspeicher Karthagos. Mit einem Fassungsvermögen von 44.000 m³ waren es die größten Wasserreservoirs in der damals von Rom beherrschten Welt.
Mit dem Bus geht es hoch auf den Byrsa-Hügel. Von hier hat man einen guten Ausblick auf das alte und neue Karthago und das angrenzende Tunis. Heute ist es aber diesig und die Sicht eingeschränkt. Auf dem Hügel steht die ehemalige Kathedrale des Heiligen Ludwig, die wir gerne von innen gesehen hätten. Das mittlerweile als Kulturzentrum genutzte Kirchengebäude ist aus Sicherheitsgründen wegen der Unruhen im Land geschlossen. Mouldi erklärt wiederholt voller Stolz, am Byrsa hätten die Verteidiger Karthagos mit den Römern "Mann gegen Mann" gekämpft - jedoch gegen die Übermacht verloren. Diese Kampfführung war in der damaligen Zeit State of the Art, also keine erwähnenswerte Besonderheit.
Das Wichtigste, was von den Karthagern bis heute geblieben ist, ist die phönizische Schrift, die in nur wenigen Jahrhunderten die Welt erorberte und der Ursprung aller Alphabete ist.
Im Restaurant La Victoire (Razgalla) nehmen wir einen Mittagsimbiss zu uns. Das bei Einheimischen und Touristen beliebte Restaurant hat sich auf Fisch- und Pulpogerichte spezialisiert. Es ist heute Mittag fast leer, so dass der Chef höchstpersönlich unsere Bestellungen aufnimmt. Die Portionen sind riesig und kaum von 1 Person zu bewältigen. Jutta verteilt großzügig den soeben erworbenen Feigenschnaps Boukha an alle. Ich bestelle mir ein lokales Bier namens Celtia und eine Portion Spaghetti puttanesca. Die kommt dann nach längerem Warten mit Thunfisch statt mit Sardellen auf den Tisch. Die ungewöhnliche Zubereitung schmeckt mir leider nicht so gut.
Ein wenig außerhalb der Hauptstadt liegt das malerische Künstlerdorf Sidi Bou Said über den Höhen des Golfs von Tunis. Das pittoreske Dorf besticht durch seine blau-weißen Hausfassaden, Türen und Fenster, die schon die Maler August Macke und Paul Klee zu ihren Werken während der Tunisreise inspiriert haben. Hier findet sich das Kobaltblau wieder, das mich im Jardin Majorelle in Marrakesch so beeindruckt hat.
Nicht von ungefähr wird Sidi Bou Said von vielen Personen als das schönste Dorf in Tunesien bezeichnet. Blau, sagt man, sei die Farbe der Ferne. Auch der Himmel sei oftmals blau, wodurch in der blauen Farbe ein Gefühl von Ferne und Sehnsucht mitschwinge. Und ausschließlich die Farben blau und weiß dürfen im Ort für Außenanstriche verwendet werden.
Der Bus hat uns am Nachmittag oberhalb des Dorfes abgesetzt. Wir flanieren hinunter Richtung Ortskern und genießen den Charme, den das Dorf ausstrahlt.
An der Hauptstraße angekommen werden wir mit einem ganzjährigen Markt von Souvenir- und Handwerksläden konfrontiert, in denen viele billige Ramsch-Waren an Fernostreplikaten angeboten werden. Die Einheimischen scheinen das zu mögen, uns schreckt es ab. Da gefallen uns eher die wenigen kleinen Kunstgalerien, die wir auch betreten können.
Sidi Bou Said ist bei den Einheimischen aus Tunis wie bei Touristen gleichermaßen als Ausflugsziel beliebt.
Fr 24.12.2021 Tunis – Oudna – Tunis
Unser Tag startet mit dem Besuch des Zentralmarktes in der Hauptstadt Tunis, dem Fondouk El Ghala. Man bekommt einen guten Eindruck, was das Land kulinarisch zu bieten hat, sollte aber nicht meinen, dass jeder sich das Warenangebot hier auch leisten kann.
Wir bummeln durch das Gassenlabyrinth der orientalischen Altstadt, der Medina (UNESCO Weltkulturerbe). Ein Erlebnis ist auf alle Fälle der Rundgang durch die Souks, wo neben Obst, Gemüse, Fisch, Fleisch und Gewürzen auch Stoffe, Silberschmuck, Keramik, Lampen, Ledersandalen und vieles mehr angeboten werden.
Als Nordeuropäer bin ich immer wieder beeindruckt vom orientalischen Warenangebot und dem gewöhnungsbedürftigen Feilschen und Verhandeln über den Preis der Ware. Aber es wird auch viel Kitsch und Fake aus Fernost verhökert. Beim Feilschen muss man wissen, dass der aufgerufene erste Preis exklusiv für Touristen gilt, die ein Händler natürlich sofort als solche identifiziert. Einheimische kennen den Wert und damit den angemessenen Preis der Ware und würden sich niemals übers Ohr hauen lassen. Wenn man sich auf die Hälfte des ersten Angebotes einigen kann, zahlt man einen einigermaßen fairen Preis.
Den Kauf eines traditionellen Fes aus rotem Filz (Schafswolle) verkneife ich mir. Obwohl - das Material ist ideal: der Filz wärmt im Winter und kühlt im Sommer. Aber diese Kopfbedeckung passt einfach nicht nach Deutschland. Laut Mouldi ist in Tunesien die Bezeichnung "Sheshia" statt Fes üblich. Ich habe diesen Begriff im Internet aber nirgendwo gefunden. Mouldi trägt stolz ab heute seinen Sheshia auf dem Kopf.
In Tunesien findet man ganzjährig eine Küche, die hauptsächlich auf Olivenöl, Gemüse, Gewürzen, Fisch, Meeresfrüchten und Fleisch basiert. Auf dem Fischmarkt entdecke ich einen Verkaufsstand mit Meeräschen, denen man den Rogen entnommen hat, eine im Mittelmeerraum äußerst beliebte und wertvolle Delikatesse. Man kennt sie in Italien in getrockneter Form als Bottarga.
Eigentlich ist auf unserer Reise nun ein Besuch des bekannten Bardo- Museums vorgesehen. Doch das wurde Mitte des Jahres als Teil der "außergewöhnlichen Maßnahmen" des Präsidenten geschlossen (wie auch die Kathedrale auf dem Byrsa). Inwieweit die Schließung auch jetzt noch gerechtfertigt ist, erschließt sich uns nicht. Es ist jedenfalls sehr bedauerlich, weil das Bardo- Museum einzigartige archäologische Sammlungen und die größte Sammlung römischer Mosaike in der Welt beherbergt. Alternativ besuchen wir später das Archäologische Museum von Sousse, ein exzellent gegliedertes Museum, das den Umfang der Funde, insbesondere der Mosaike, in und um die antike Stadt Sousse wiedergibt.
Nach dem Mittagessen fahren wir nach Oudna, einem "Geheimtipp" von Mouldi.
Ab heute sind die mit dem Bus zurückgelegten Tagesetappen teilweise sehr lang. So bedeuten 350 km ca. 6 Stunden Busfahrt! Der Veranstalter hat in der Reisebeschreibung darauf hingewiesen.
In den Ortschaften, in Tempo 30- Zonen und an neuralgischen Gefahrenpunkten wurden Temposchwellen auf der Fahrbahn angebracht, die die Fahrzeuglenker zum starken Abbremsen zwingen. Das macht auch Salah, unser Busfahrer, damit wir nicht an die Decke katapultiert werden. Salah verdanken wir einen auf der Rückbank des Busses gelagerten Vorrat an Wasserflaschen für die gesamte Reisedauer. Den individuellen Verbrauch zahlen wir am Ende der Reise mit einem Spottpreis von 1 Dinar pro 1-Liter-Flasche.
Auf dem Weg nach Oudna liegen die Fragmente eines der größten römischen Aquädukte. Es brachte über eine Strecke von 130 km Wasser aus den Quellen des Berges von Zaghouan nach Karthago. Eine ingenieurtechnische Meisterleistung!
Im heutigen Oudna, ca 30 km südlich von Tunis gibt es die bestens erhaltenen Ruinen der punisch-römischen Stadt Uthina zu sehen. Zuerst besichtigen wir dort das römische Amphitheater, dessen Löwen- und Gefangenengruben im Untergeschoss heute noch fast wie damals erhalten sind. Schrecklich, wenn man bedenkt, wie bestialisch damals Menschenleben geopfert wurden. "Mögen die Spiele beginnen" war der Startspruch der Regenten zur Tötung der Delinquenten. Die Gefangenen warf man den ausgehungerten Bestien zum Fraß vor. Zu den grausamsten Hinrichtungsmethoden zählte sicher die öffentliche Kreuzigung. Und die konnte ein Römer gegen einen seiner Sklaven wegen eines geringen Vergehens für eine geringe Gebühr beantragen. Die Masse der Zuschauer weidete sich an den Qualen der Gekreuzigten, die tagelang dauern konnten bis der Tod eintrat. Die Spiele hatten einen hohen Unterhaltungswert. "Panem et circensis" oder wie sagten die alten Römer: "homo homini lupus" der Mensch ist dem Menschen ein Wolf, kein Mensch. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Ironie der Geschichte ist es, dass eine Kreuzigung zum Symbol der größten Religionsgemeinschaft der Welt wurde.
Wir laufen durch die Fundamente von Uthina und bestaunen die zahlreichen Bodenmosaiken mit ihren teils lebensechten Darstellungen. Sie haben eine Ausdrucksstärke, die Fotografien nahekommt. Dann fährt uns Salah mit dem Bus über einen unbefestigten Feldweg hinauf zum Kapitolshügel.
Die Gruppe steigt die Treppen zum Kapitol empor und genießt den Blick über das Ausgrabungsgelände auf das Theater in 400 m Entfernung. Unter dem Kapitol befindet sich eine große, begehbare Halle mit gigantischen Tonnengewölben. Hier werden Kulissen für einen gerade vor Ort gedrehten Historienschinken gelagert. Ich nehme Platz auf dem Film- Thron des Königs Salomon. Na ja, der sah sicher wesentlich majestätischer aus.
Wissen Sie, warum die Franzosen Heiligabend nur einen halben Tag lang feiern? Weil sie kein "H" sprechen können, es verbleibt "eiliger Abend"... Wir feiern gar keinen Heiligabend, der Weihnachtsmann und das Christkind kennen sich im muslimischen Nordafrika nicht aus.
Sa 25.12.2021 Tunis – Bulla Regia – Dougga – Kairouan
Heute ist der 1. Weihnachtstag. Ich telefoniere mit Verwandten und Bekannten zuhause und wünsche ihnen ein schönes Weihnachtsfest. Für diese Ferntelefonate sind WhatsApp und Skype die ideale Plattform.
Erstes Ziel unserer heutigen Etappe ist Bulla Regia. Die bedeutende römische Ausgrabungsstätte liegt in einer fruchtbaren Ebene, die den damaligen römischen Gutsherren zu Wohlstand verhalf. Sehr gut erhalten sind das Theater und vor allem noch einige der unterirdischen Häuser, die mit einer Vielzahl einzigartiger Fußbodenmosaike geschmückt sind.
Als im 5. Jh. in Europa Rom am Boden lag und in ein West- und ein Ostreich zerfiel, überlebte die jahrhundertealte Kultur der Römer fast nur hier im Norden Afrikas Es waren die als kulturlos verschrieenen Vandalen unter Geiserich, einem Germanenstamm, dessen Mitglieder sich im heutigen Tunesien so römisch gaben wie einst die Römer selbst. Schnell fanden sie Gefallen am römischen Lebensstil, dem Wohnen in Villen und an den Badehäusern. Sie lernten sogar die lateinische Sprache. Ich weiß nicht, ob ich damals auch so weit gegangen wäre. Das müssen wahre Verbal- Märtyrer gewesen sein.
Ich bin ehrlich, als Jugendlicher habe ich im Gymnasium nie Zugang zur toten lateinischen Sprache gefunden. Erst viel später habe ich erkannt, dass Latein die Basis aller romanischen Sprachen und eine Lernhilfe für die Grammatik auch vieler anderer Sprachen ist. Zudem ist Latein relativ leicht zu erlernen. Nur das Vokabellernen ist eine Schwelle, die es zu überwinden gilt.
Den nächsten Zwischenstopp auf dem Weg zu unserem Tagesziel Kairouan legen wir anschließend in Dougga ein. Die antike Ruinenstätte gehört zum UNESCO-Weltkulturerbe und ist die am besten erhaltene historische Stätte Tunesiens. Manche sprechen vom Pompeji Tunesiens, ich mag diese Vergleiche nicht. Wir bestaunen das halbrunde Freiluft- Theater und den Kapitolstempel und spüren ein wenig vom Zusammenschluss zwischen römischer und karthagischer Kultur beim Spaziergang entlang der vielen Tempel, Thermen und Zisternen.
Ein Reisewetter- Tipp: Nutzen Sie die Wetter-App VentuSky von InMeteo mit genial animierten Karten. VentuSky ist m.E. optimal für Reisende zur weltweiten Wetterprognose geeignet. Auch hier in Tunesien bin ich damit bestens informiert. So weiß ich, dass unseren heutigen Tag wenige leichte Regenschauer und Temperaturen von ca. 14° C bestimmen werden.
Weiter geht unsere Reise nach Kairouan, neben Mekka, Medina und Jerusalem eine der heiligsten Städte des Islam.
In den Souks kann man den traditionellen Handwerkern bei der Arbeit zusehen und natürlich auch deren Produkte kaufen. Hochgeschätzt ist die Kunst der Kalligraphie, die "Kunst des schönen Schreibens". Von Leckerschmeckern werden besonders die hier aus Griesmehl mit Mandeln, Sesam, Feigen, Datteln oder Pistazien hergestellten und verkauften Makrouds gelobt, eine begehrte arabische Süßigkeit.
Und selbstverständlich preisen auch die Teppichhändler hier ihre Waren an. Die Händler erzielen beim Verkauf oftmals hohe Gewinne während die Frauen und Kinder, die die Teppiche in wochenlanger harter Arbeit geknüpft haben, nur einen minimalen Anteil davon bekommen.
Den Frauen war es unter Ben Ali verboten, ein Kopftuch in der Öffentlichkeit zu tragen. Seit der Revolution können sie wieder selbst entscheiden. Gleichberechtigung von Mann und Frau ist in der Verfassung verankert, aber die Frauen werden in der nach wie vor patriarchalisch organisierten Gesellschaft Tunesiens als Arbeitssklaven zu Hungerlöhnen missbraucht, vor allem auf dem Land. Während ihre arbeitslosen Männer in den örtlichen Cafés rumhängen schuften die Frauen auf den Feldern. Die Männer betrachten es unter ihrer Würde, zu ausbeuterischen Löhnen zu arbeiten. Na prima. Aber es gibt eine Entwicklung hin zu mehr Gleichheit, siehe die Ministerpräsidentin und die Bürgermeisterinnen von Tunis und weiteren Städten. Diese Entwicklung vollzieht sich aber in den gebildeten Schichten des Volkes, nicht auf dem Land. Die Bevölkerung ist gespalten in Traditionalisten auf dem Land und aufgeklärte Menschen in den Städten.
Unser nächstes Hotel, das Hotel La Kasbah hat ebenfalls 5 Sterne und Top- Bewertungen. Es liegt sehr zentral in der heiligen Stadt Kairouan. Die Wege zu den Zimmern sind so verwinkelt, dass ich sie mit dem Labyrinth des Minotaurus vergleiche. Nur mit Ariadnes Faden lässt sich der Weg zurück zur Lobby finden...
So 26.12.2021 Kairouan – Sbeitla – Tozeur
Kairouan, die "Stadt der 300 Moscheen", gilt als geistiges Zentrum des Islam in Nordafrika. Wir laufen zu einer der ältesten islamischen Bauwerke Tunesiens, der Djamaa Sidi Oqba Moschee. Die Hauptmoschee der Stadt fasziniert mit ihren kunstvollen Verzierungen und edlen Marmorfußböden und besitzt aufgrund einer Regelung, die sieben Besuche von Kairouan einer Pilgerfahrt nach Mekka gleichsetzt, noch heute eine große Bedeutung für die Gläubigen. Der Gebetssaal der großen Moschee erinnert ein wenig an Cordoba, 3 x 7 Bogengänge, 414 Säulen, die meisten davon aus Karthago, hat man hierher verfrachtet und als Gewölbeträger verbaut. In Tunesien dürfen "Ungläubige", also Nicht-Moslems, keine Moschee betreten. Auch für uns gibt es keine Ausnahme, die Fotos wurden durch eine offene Tür gemacht.
Die Wasserbassins der Aghalbiden sind ebenfalls sehenswert. Sie wurden ab dem 9. Jahrhundert genutzt um Süßwasser aus den Bergen für die Stadt zu speichern.
Die Überlandfahrt Richtung Tozeur bietet wenig Abwechslung. Wie ich es schon in Marokko bemängelt habe, gibt es auch hier ein großes Umweltproblem. Abfälle werden einfach in der Landschaft entsorgt und verschandeln diese auf lange Zeit. Das Postkarten- Tunesien steht dagegen als krasser Gegensatz. Das Leben im Müll ist bereits zur Normalität geworden, selbst in den wohlhabenden Vierteln.
In den kleinen Ortschaften qualmen am Straßenrand die Grillstände, auf denen vornehmlich Hammelfleisch gebraten wird. Das Fell der getöteten Tiere hängt an den Veranden.
Ab Métlaoui fährt der legendäre Museumszug "Lézard Rouge" (Rote Eidechse) auf einer Schmalspur- Trasse Ausflügler durch die Canyon- Landschaft. Für 17,5 Dinar fährt man rd. 43 km und wieder zurück (2 1/2 Stunden mit Fotostopps). Leider ist die Bahn derzeit noch wegen Beschädigungen der Bahntrasse durch starke Regenfälle außer Betrieb.
Schließlich erreichen wir am Nordrand des Salzsees Chott el Djerid Tozeur, das Zentrum der Region Bled el Djerid, das "Land der Dattelpalmen".
In attraktiver Lage nahe der Wüste und nur 2 Kilometer vom Stadtzentrum Tozeur entfernt werden wir 2 Tage im Ksar Rouge Hotel (4*) logieren.
Mo 27.12.2021 Tozeur – Chebika – Tamerza – Mides – Tozeur
Bei unserer heutigen SUV-Tour fahren wir zu den Bergoasen Chebika, Tamerza und Mides. Diese paradiesischen Oasen bieten riesige Dattelpalmengärten, schroffe Canyons und märchenhafte Wasserfälle. Wer etwas von der Großartigkeit der tunesischen Wüste erspüren will, sollte sich vorab das 1997 mit 9 Oscars ausgezeichnete Liebesdrama "Der englische Patient" mit der bezaubernden Kristin Scott Thomas anschauen.
Die Schlucht von Sidi Bouhellal in der Nähe der Oase Tozeur war neben vielen weiteren Orten im Südwesten Tunesiens auch Drehort und Kulisse von "Star Wars". Luke Skywalker und Darth Vader lassen grüßen. Das extra für den Film gebaute Dorf stellt heute einen touristischen Anziehungspunkt dar, ist aber nur noch eine ungepflegte Ruine, die zunehmend verkommt.
Anschließend machen wir eine von Mouldi vermittelte Kutschenfahrt durch den Palmengarten von Nefta, der sich als verwilderte Müllhalde entpuppt. Dieser Gimmick ist völlig überflüssig!
Im Hotel ist - wie angeblich im ganzen Ort - das WLAN gestört. Zudem ist man hier nicht in der Lage, Geld zu wechseln, auch sonstwo im Ort nicht.
Di 28.12.2021 Tozeur – Douz
Nach dem Frühstück erkunden wir die schöne Medina von Tozeur und bahnen uns den Weg durch ein Labyrinth aus engen Gassen, hohen Mauern und gewölbten Passagen.
Danach lernen wir etwas über die Vergangenheit der Palmen- und Dattelwirtschaft bei einem Besuch des "Eden Palm"- Museums. Über Datteln habe ich zuvor schon vieles gelernt auf meiner Reise durch Marokko. Tunesien produziert 48 % der auf dem Weltmarkt verfügbaren Datteln. Die beste Qualität ist hier Deglet Nour, die "Königin der Datteln". Ich nehme mir eine Packung davon mit um sie zuhause mit marokkanischen Datteln zu vergleichen. Beide schmecken mir wirklich sehr gut.
Anschließend überqueren wir den riesigen Salzsee Chott el Djerid. Diese faszinierende Landschaft inspirierte bereits eine Vielzahl von Film- und Buchautoren, so auch Karl May. Im ersten Band seines Orientzyklus' "Durch die Wüste" reiten Kara Ben Nemsi und sein Begleiter Hadschi Halef Omar unter abenteuerlichen Umständen von Kris nach Fetnassa über den Salzsee Schott Dscherid.
Händler bieten an ihrem Stand das Salz in 250 g- Beuteln für umgerechnet 3,50 € an! Das ist ein Spezialpreis für Touristen. Okay, den Versuch ist es ja wert. Man kann das Salz aber auch selbst sammeln. Bei uns gibt es die gleiche Menge Kochsalz für 30 Cent beim Discounter, allerdings kein Fleur de Sel. Ich bevorzuge übrigens für die Nachwürzung am Tisch Maldon Sea Salt Flakes aus England. Davon kosten 250 g ca. 5 €...
Wir bekommen auch eine Fata Morgana zu sehen, die vor allem bei starkem Sonnenschein häufig auftreten kann.
Die schönste Blume der Wüste – die Sandrose – hat ihren Ursprung in den Salzseen, denn nur wo eine Wüste auf einen Salzsee trifft, können diese außergewöhnlichen Kristallgebilde entstehen.
Unser heutiges Ziel ist die Oase Douz – das "Tor zur Sahara". Kurz vor der Stadt sind versteinerte Sandhügel zu sehen. In der Nähe von Douz bietet sich die Gelegenheit zum Ritt auf einem Dromedar, was ich aber dankend ablehne. Erst vor kurzem hatte ich einen schweren eBike- Unfall. Und vom Dromedar gefallen bin ich auch schon mal - in Ägypten. War beides gar nicht funny.
Für die Mitreisenden, die den Kamelritt gebucht haben, ist dieser eine Enttäuschung. Sie haben sich einen Ritt "durch die Wüste" vorgestellt, kommen aber bei ihrem Ausflug nicht über ein kleines Sanddünengebiet hinaus. Das gilt auch für die Mitreisenden, die alternativ eine Kutschfahrt gebucht haben, und für mich als Beifahrer auf einem Quad. Unterbrochen wird unsere Fahrt von einem "Sundowner", den wir mit selbst gekauften kleinen Weinflaschen und Dosenbier begehen. Das habe ich in Namibia schon mal stilvoller erlebt...
Die optionalen Extra- Ausflüge (Dromedar, Kutsche, Squad) haben Preise auf europäischem Niveau, die Landschaft dafür ist leider sehr lieblos gewählt. Das weiß man als Ortsfremder nicht im Voraus.
Im Souk von Douz kann man Balgar erwerben, offene, bequeme Pantoletten. Die aufwendigsten sind aus Kamelleder. Mir gefallen sie nicht.
Am Rande der Wüste in atemberaubender Landschaft liegt das Sun Palm Hotel (4*) in Douz, unser heutiges Übernachtungshotel.
Mi 29.12.2021 Douz – Matmata – Mahdia
Die außergewöhnliche Kraterlandschaft des Djebel Dahar (Dahargebirge) kommt einigen Mitreisenden bekannt vor - aus den alten Star Wars Filmen.
Als Schauplatz dieser und auch anderer Hollywood- Produktionen ist das Gebirge vor allem berühmt für die unterirdischen Wohnhöhlen der Berber. In Matmata werden wir mit einem Couscous-Essen in der Felsenwohnung einer lokalen Familie bewirtet, Freunde von Reiseleiter Mouldi. Als Vorspeise gibt es Brik, Taschen aus Yufkateig, die mit einer Ei-Kartoffel-Petersilie-Hühnchen-Mischung gefüllt sind und in Öl ausgebacken werden. Sehr lecker!
Etwa 20 km vor Tunesiens zweitgrößter Stadt, Sfax, liegen im Meer die Kerkennah- Inseln, auch "Tintenfisch- Inseln" genannt. Dort fangen die Fischer die Kopffüssler in kleinen Tonamphoren, die hintereinander an eine Leine gebunden im Meer versenkt werden. Die Oktopussies verziehen sich gern in dunkle Höhlen, was ihnen bei dieser Fangmethode zum Verhängnis wird. Die Tentakeln der Tiere werden gern gebraten zum Couscous serviert. In der tunesischen Küche spielt Tintenfisch eine wichtige Rolle.
Wir setzen unsere Fahrt fort durch weitläufige Olivenhaine zum wohl imposantesten römischen Bauwerk ganz Tunesiens, dem Amphitheater von El Djem. Bereits von weitem kann man die gewaltige Form des Theaters erblicken, das eines der größten des Römischen Reichs war.
Neben Platz für 35.000 Gäste besitzt das 38 Meter hohe Bauwerk noch eine Vielzahl an Löwengruben und Gefangenenzellen, die für die blutigen Spiele benötigt wurden. Panem et circenses!
Anschließend fahren wir weiter nach Mahdia, wo wir die heutige Nacht verbringen. Uns erwartet das Mahdia Beach Hotel (5*) mit seiner weitläufigen Anlage am Meer. Beim Betreten macht das Hotel mit seiner opulenten Lobby, der Lobbykuppel, Treppenempore und den Zimmern einen sehr guten Eindruck. Als unsere kleine Gruppe jedoch zu Abend essen möchte, werden wir in einen nüchtern weißen Speisesaal von der Größe einer Bahnhofshalle in den Keller gewiesen. Der Saal hat maximal den Charme einer Firmenkantine. Zudem wird z.B. bestelltes Bier in ungeöffneten Flaschen auf den Tisch gestellt. 5 Sterne oder mehr Schein als Sein?
Do 30.12.2021 Mahdia – Monastir – Sousse – Hammamet
Wir starten in den Tag mit der Besichtigung der Altstadt von Mahdia, das für seinen Fischerhafen und seine Seidenweber bekannt ist.
An einem Gewürzstand an der Straße halten wir an. Auf Mouldis Empfehlung kaufe ich ein Töpfchen Harissa, weil mir die arabisch scharfe Variante bisher besonders gefallen hat.
Weiter führt unsere Tunesien-Rundreise über Monastir, wo wir unter anderem das Mausoleum der Familie von Habib Bourguiba, des ersten Präsidenten des unabhängigen Tunesiens besichtigen. Soviel Ehre ist m.E. dem ersten Bundespräsidenten der BRD, Theodor Heuss, nicht zuteil geworden.
Wir erreichen Sousse (gesprochen Ssuuuss), die "Königin des Sahel". Diese Stadt war Dienerin vieler wechselnder Herren. 350 Jahre besetzten z.B. die Aghlabiden, ein Zweig der islamischen Abbasiden, die Stadt und bauten dort eine große Festung. Die steht noch heute und kann besichtigt werden.
Das Archäologische Museum der Stadt Sousse gehört zu den bedeutesten Sammlungen des Landes. Es gibt 3 Abteilungen, die Punische, die Römische und die Christlich-Byzantinische Sektion. Die ausgestellten Mosaiken zeugen von der hohen Kunst der damaligen Zeit, das gilt sowohl für die zahlreichen Portraitdarstellungen als auch für die mehrdimensionalen Werke wie das Taufbecken aus der Byzantinischen Zeit.
Entlang der Stadtmauern streifen wir durch die örtliche Medina (auch diese UNESCO-Weltkulturerbe) und saugen die mittelalterliche Atmosphäre der Souks, Gässchen und Häuser von Sousse auf. Die Promenade am Meer erinnert mich an den Malecon von Havanna. Ich unterhalte mich intensiv mit einem Ladenbesitzer, der vorgibt, lange in Bremerhaven gearbeitet zu haben. Er spricht ein wenig Deutsch und versucht verzweifelt, mir irgendetwas von seinem Warenangebot zu verhökern. Ich kann bei bestem Willen nichts von dem Kram gebrauchen. Excuse-moi!
Zum Abschluß unserer Rundreise logieren wir die nächsten 3 Nächte im 5-Sterne- Hotel The Sindbad in Hammamet. Die im maurischen Stil errichtete Hotelanlage befindet sich direkt am flach abfallenden Sandstrand. Sie liegt in einem üppigen und prachtvollen Garten, umgeben von zahlreichen Palmen und exotischen Pflanzen.
Das Hotel wird bei Tripadvisor als eines der besten zehn in ganz Tunesien bewertet. Das mag stimmen, wenn man von der Küche absieht. Auch die ist nämlich wieder eher auf dem Niveau einer besseren deutschen Betriebskantine. Sterne- Küche ist in den besuchten 5*-Hotels eine Unbekannte.
Fr 31.12.2021 Hammamet- Cap Bon (optional) - Hammamet
Mouldi hat mal wieder das Programm geändert und mit dem für morgen vorgesehenen getauscht.
Der Veranstalter bietet gegen Aufpreis einen optionalen Ausflug auf die Halbinsel Cap Bon an. An den dortigen Badestränden sollen nicht nur Muscheln und Algen angespült werden, sondern auch Ertrunkene, Leichen von Männern, Frauen und Kindern. Das ist die bittere Wahrheit, vor der die europäische Flüchtlingspolitik die Augen verschließt. Natürlich sind wir nicht hierher gekommen um dieses Drama live mitzuerleben. Aber es ist heute sehr windig, so dass der Wellengang ein Übersetzen mit kleinen Booten nach Italien sowieso unmöglich macht. Bis Lampedusa sind es von Hammamet ca. 200 km bzw. 107 sm.
Unterwegs besichtigt die Gruppe in Kerkouane (UNESCO Weltkulturerbe) die einzige punische Stadt in Nordafrika. In der Töpferstadt Nabeul besuchen wir ein Keramik- Atelier und können den Handwerkern über die Schulter schauen. Solche Stopps werden bekanntlich gerne als Verkaufsveranstaltung genutzt, hier natürlich auch.
Ich entscheide mich gegen diesen Tagesausflug und bleibe in der Hotelanlage, zu der vier Restaurants gehören. Eines davon liegt direkt am Strand und hat sich auf Gerichte mit Fisch und Meeresfrüchten spezialisiert. Eine besondere Spezialität sind Manta- Rochen und Tintenfische. Ich genieße zum Lunch ein Oktopus- Carpaccio. Es ist ein herrlicher Tag, blauer Himmel, menschenleerer Strand und 18° C.
Heute abend gibt es im Sindbad ein "Gala-Dinner", bestehend aus 6 Gängen. Die teilnehmenden Gäste gehören zu 90 % dem tunesischen Upperclass- Publikum an. Sie sind in festlicher Garderobe erschienen und tragen keine FFP2-Masken. Der lukullische Wert des Dinners ist bestenfalls durchschnittlich, wie vom Party- Service. Das Hauptgericht, ein Niedrigtemperatur- Rinderfilet, ist mehr als welldone, also durchgegart. Eine Schande für das edle Fleisch! Zur Essensbegleitung spielt eine 2-Mann Combo mit ihrem Musikcomputer italienische und arabische Hits in Konzertlautstärke, eine Konversation mit den Tischnachbarn ist so gut wie unmöglich. Es gibt Auftritte eines Kindergeburtstags- Clowns, eines Bodenturnakrobatik- Paares und eines Balljongleurs. Wie es Euch gefällt...
Den Höhepunkt des Abends, den Jahreswechsel, tue ich mir bei dieser Lautstärke und in dieser Enge nicht an und bevorzuge wie auch andere aus unserer Gruppe die Nachtruhe. Good night 2021!
Sa 01.01.2022 Hammamet– Takrouna – Zaghouan – Hammamet
Auf einem 200 Meter hohen Felsen thront das Berberdorf Takrouna. Von hier kann man einen Panoramablick über die tunesische Landschaft mit unzähligen Olivenhainen und dem Golf von Hammamet genießen..
Sehenswert soll auch der Neptuntempel in Zaghouan sein. Dieser wurde von den Römern auf einer Quelle errichtet, von der schon vor 2.000 Jahren Wasser über Aquädukte in die gesamte Region geleitet wurde. Die bis heute noch recht gut erhaltenen Ruinen der Aquädukte haben wir bereits gesehen.
Daran schließt sich ein Besuch der Altstadt von Hammamet und des Internationalen Kulturzentrums an. Auch in den Läden von Hammamet wird viel Ramsch aus Fernost verkauft. Aber es gibt auch einige wenige authentische Handwerksläden, die es zu besuchen wert sind.
Unbedingt sollte man den frisch zubereiteten Minztee in den Teestuben verkosten. Das Wasser wird dafür mit der Minze aufgekocht. Danach muss der Tee lange ziehen bis er sein typisches Aroma entfaltet hat. Zuletzt werden noch frische Minzblätter ins Glas gegeben. Der Minztee soll sehr gesund sein und dem Genießer ein hohes Alter garantieren. Demnach müsste die nordafrikanische Bevölkerung völlig überaltert sein...
Auch von diesem Ausflug habe ich mich abgemeldet. Eine zunehmende Erkältung bahnt sich an. Stattdessen suche ich eine Apotheke in der Nähe auf und versorge mich zu einem absoluten Minipreis mit Medikamenten. Dafür gibt es bei uns nicht einmal Heftpflaster!
So 02.01.2022 Rückflug von Tunis
Heute heißt es Abschied nehmen von Tunesien, schon sehr früh am Morgen. 3:30 Wecken, 4:00 Frühstück auf dem Zimmer, 4:30 Abfahrt zum Airport. 1 Stunde Fahrzeit. Unser Rückflug startet um 7:55. Die Zeit zwischen Ankunft am Airport und Boarding wird benötigt für Passkontrolle, Check-In, nochmalige Pass- und Impfpass- Kontrolle, Zoll, Security, Boarding. Alles just in time nach vorherigem langem Schlangestehen. Es geht wohl nicht anders.
Dann sind wir endlich an Bord des Jets. Ich führe eine kurze, aber heftige Diskussion mit einem arabischen Passagier, der meint, ich müsse meine im Staufach deponierte Jacke auf die Knie nehmen, weil sein Boardtrolley "Priority" habe, und das in der Holzklasse... Da hat er sich aber den falschen Streitpartner ausgesucht, auch wenn er sehr aggressiv auftritt, geradeso als sei er der Bey von Tunis. Es ist eine zunehmende Unsitte, dass Passagiere Ihr Gepäck in großen Trolleys mit an Board nehmen und den Platz in den Staufächern zu Lasten anderer für sich beanspruchen. Die Fluggesellschaften schieben bisher fast nie einen Riegel vor...
Ma'a s-salamah Tunis, Au revoir la Tunisie, Auf Wiedersehen Tunesien !
In den Tagen nach unserer Urlaubsrückkehr mache ich mehrere Corona- Selbsttests. Ergebnis jeweils negativ! Doch 1 Woche nach unserer Rückkehr wird bei 3 Mitreisenden per PCR-Test ein positives Ergebnis festgestellt: infiziert! Eine weitere Teilnehmerin soll mit Fieber im Bett liegen.
Mein Fazit für diese Rundreise:
Für den durchschnittlich geschichtlich interessierten Reisenden wie mich liegt der Schwerpunkt viel zu sehr auf den Ruinen der alten Römer und Katharger, von denen es im Land eine große Anzahl gibt. Nach spätestens 3 Tagen tritt bei mir ein Sättigungseffekt ein, der zu einem Vorbeirauschen von Gesehenem und Gehörtem führt. Das ist schade und könnte verhindert werden durch eine Beschränkung auf das Wichtigste und eine zeitliche Streckung der Besichtigungen. Es fehlte mir mit einigen Ausnahme einfach am Kennenlernen weiterer Besonderheiten des Landes, die die langen Busreise- Etappen aufgelockert hätten. Ein Fotostopp oder ein Spaziergang durch die Altstädte und Souks reicht dafür nicht - zumal sich diese alle ähneln.
Reiseleiter Mouldi hat sich während unserer Rundreise zunehmend einer einzelnen Teilnehmerin zugewandt. Die Antworten auf ihre Fragen an ihn im Bus aus der Pole Position, also aus der ersten Reihe, wurden ihr exklusiv beantwortet, der Rest der Reisegesellschaft wurde meistens mit Schweigen verwöhnt. Bei den Abendessen setzte sich Mouldi stets zu seiner "Lieblingsreisenden" und führte mit ihr meist Einzelgespräche. Das wurde von der Gruppe nicht gerade goutiert. Er hätte die Gruppe angesichts der kleinen Teilnehmerzahl zum gegenseitigen Vorteil viel mehr von sich überzeugen können - eine Frage sozialer Kompetenz.
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Das sind meine Reiseliteratur- und Video- Empfehlungen für Tunesien:
- ADAC Reiseführer plus "Tunesien" mit großer Faltkarte
- Dumont Reihe richtig reisen "Tunesien"
- Gustave Flaubert, "Salambo", Roman, Kuebler Verlag
- "Der englische Patient", Liebesdrama, Regie Anthony Minghella
- ardmediathek NDR: "Länder-Menschen-Abenteuer - Tunesien für Entdecker"
- 3satMEDIATHEK: "TerraX Große Völker - Die Karthager" !!! (sehr empfehlenswerte Doku!)
- 3satMEDIATHEK: "TerraX Die Hannibal- Expedition"
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