Samstag, 20.09.2014: Buongiorno Torino!

Ad pedem montium - "am Fuß der Berge" so bezeichneten die Römer die Lage der Region am Südrand der Alpen. "Piemont - kulinarisch erleben" hat der Veranstalter Studiosus die Reise ausgeschrieben.

Verheißungsvoll, nicht wahr? Zusammen mit Rüdiger, meinem bewährten Reise- und Gourmet- Freund, möchte ich dieser Aufforderung nachkommen und das Piemont kulinarisch entdecken. Aeroporto di Torino- Caselle Sandro Pertini, am frühen Nachmittag betrete ich wieder einmal italienischen Boden.

Unser Stadthotel in Turin für die nächsten zwei Nächte ist das zentral gelegene NH Hotel Santo Stefano in unmittelbarer Nähe des Turiner Doms. Seit einem negativen Erlebnis im NH Hotel Berlin Alexanderplatz meide ich eigentlich diese Hotelkette, aber im Santo Stefano gibt es keine Beanstandungen.

Wir sind mit einer kleinen Reisegruppe unterwegs. Doch stellt sich uns die Frage, wann und wo wir die Gruppe und die Reiseleiterin treffen. Wir haben da wohl etwas in den übersandten Unterlagen überlesen und an der Hotelrezeption weiß es auch niemand.

Schließlich finden wir sie doch noch, die anderen Mitreisenden und die Reiseleiterin, Frau HM. Gemeinsam machen wir uns auf den Weg durch das abendliche Turin. Wir laufen die langen Arkadengänge der Via Po hinunter zum Piazza Vittorio Veneto, wo wir uns auf reservierten Außenplätzen des Ristorante Porto di Savona niederlassen. Es soll übrigens 18 km Arkadengänge in der Hauptstadt des Piemont geben. Unglaublich, wenn man sich vor Augen hält, dass fast alle Arkaden von Ladengeschäften gesäumt sind!

Am Abend des Anreisetages haben alle Mitreisenden Hunger auf piemontesische Spezialitäten. Mir bleiben das hervorragende Vitello Tonnato und das Panna Cotta in Erinnerung. Die Süßspeise habe ich in dieser Qualität noch nirgends gegessen.

Sonntag, 21.09.2014: Turiner Barock

Heute zeigt uns Frau HM die Welt des Turiner Barock. Zum Auftakt besuchen wir am frühen Morgen den Palazzo Madama, eine ursprünglich mittelalterliche Burganlage, der man später eine prächtige Barockfassade auf einer der vier Seiten vorgebaut hat. Sieht irgendwie merkwürdig aus. Der Palast beherbergt das Museum für Antike Kunst mit 70.000 Exponaten - ein Streifzug durch die Kunst der Jahrhunderte seit dem Mittelalter. Besonders beeindruckt mich das in Öl gemalte, fast fotorealistische Selbstporträt von Antonello da Messina. Und dann wären da noch die avantgardistischen Abendgarderoben, die Turiner Modedesigner hier gerade ausstellen.

Vor dem Palazzo Madama auf dem Piazza Castello findet eine Veranstaltung statt, bei der Halfpipe- Skating, Frisbee und weitere aktuell angesagte Sportarten demonstriert werden.

Turin war die erste Hauptstadt Italiens. Hinter der Fassade des Palazzo Carignano wurde vor mehr als 150 Jahren das geeinte Königreich Italien gegründet.

Wir erkunden die Altstadt und reihen uns ein in die sonntägliche Passeggiata der Turiner. Lust auf Schokoladiges? Die Stadt hat ein eigenes einzigartiges Getränk – Bicerin, ein Heißgetränk aus Kakao, Espresso und Vollmilch. Das Getränk wurde seinerzeit im Café Al Bicerin kreiert. Die Inhaltsstoffe müssen in genauem Verhältnis gemischt werden. Frau HM meint, den besten Bicherin gebe es im historischen Café Baratti & Milano. Also kosten wir ihn dort - und sind begeistert. Eine gute Empfehlung!

Inzwischen ist die Messe im Turiner Dom di San Giovanni Battista vorbei und wir können die Kathedrale aufsuchen um einen Blick auf das berühmte Turiner Grabtuch, die "Sindone", zu werfen. In dieses 4,42 m lange und 1,13 m breite Leinentuch soll der Leichnam Jesu`nach der Kreuzabnahme gehüllt worden sein. Ende des 19. Jh. hat man bei einer Fotografie des Tuches und anschließenden Entwicklung des Negativs die Gestalt eines Mannes mit einem beeindruckend majestätischen Antlitz entdeckt. Diese Entdeckung wurde vervollständigt durch die Blutspuren eines gekreuzigten Mannes auf dem Tuch. Der Leichnam hinterließ keinerlei Verwesungsspuren. Er war nur so lange in das Tuch gehüllt, wie es zur Entstehung des Abbildes nötig war, verschwand aber vor Einsetzen der Verwesung. Wissenschaftliche Untersuchungen sollen bestätigen, dass dieses Leichentuch wirklich das des gekreuzigten Jesus gewesen sein könnte. Andere stellen wiederum fest, das Tuch stamme wg. seiner Webart aus dem Mittelalter und das Abbild sei das Werk eines Künstlers aus dieser Zeit. Übrigens sind nur Fotografien des Tuches zu sehen. Nur alle paar Jahre wird es gezeigt, das nächste Mal wieder im Frühjahr 2015.

Auch der Königspalast der Savoyer, der Palazzo Reale, ist ein Meisterwerk des Barock. Er gilt als eine der prunkvollsten Königsresidenzen Europas und ist ein vielbesuchtes Museum. Das Haus Savoyen herrschte seit dem Hochmittelalter über die Territorien Savoyen und Piemont und stellte in den letzten Jahrzehnten der Monarchie die Könige Italiens.

Am Piazzo Reale liegt auch die bei den Turinern sehr beliebte kleine Kirche San Lorenzo. Eine schlichte Fassade verbirgt ihre Pracht, nur die Kuppel fällt auf. Deren Öffnungen sorgen für wechselnde Lichteffekte. Und wer genauer empor schaut, soll ein böses Gesicht erkennen können. Nur ein Zufall? Manche meinen, der Teufel blicke von oben herab. Ich kann ihn nicht erkennen. Das wäre doch eine Story für Dan Brown...

Wir laufen hinunter zum Po, der mitten durch die Stadt fließt. Es ist der längste Fluss Italiens. Die Poebene ist die wichtigste Landwirtschafts- und Industrieregion des Landes. Turin liegt am Oberlauf des Flusses, weiter flussabwärts findet sich das Podelta, das sich ständig in die Adria vergrößert.

Heute abend gibt es für unsere Gruppe ein opulentes Dinner in einem nahe gelegenen Ristorante - übrigens eine neuzeitliche, vom französischen "Restaurant" abgeleitete Bezeichnung für eine Trattoria oder eine Osteria.

In Italien kennt man bekanntlich eine etwas andere Speisenfolge als bei uns: Vorspeisen (antipasti) - erster Gang (primo piatto) - zweiter Gang (secundo piatto) - Käse (formaggio, hier aber eher selten anzutreffen) - Dessert (dulce) - Caffé (Espresso) /Grappa. Heute abend toppen wir das. Es gibt

- Gemüsesticks mit Bagna Cauda (heiße Knoblauch-Anchovis-Sauce)
- Carne cruda (rohes Kalbfleisch, geschabt, mit wenig Öl u. Zitrone gewürzt)
- Agnolotti (Teigtäschchen) mit Käsefüllung
- Tagliatelle mit Salsiccia
- Brasato (Rindfleisch in Barolo gedünstet und dünn aufgeschnitten)
- Haselnusskuchen mit Zabaione-Creme
- Caffé

Danach sehnt sich jeder nur noch nach seinem Bett...

Noch ein paar Tipps zum Einkaufen in Turin:

Schleckermäuler schwören auf Gianduiotto- Bonbons, eine Mischung aus Kakao und Haselnüssen. Viele Reisende kaufen diese Bonbons als Souvenirs. Am besten sollen die handgemachten Exemplare aus den Konditoreien im Turiner Zentrum schmecken. Guido Gobino (Via Lagrange 1) soll der neue ungekrönte König unter den Turiner Chocolatiers sein - unbedingt die Salzpralinés probieren! Die besten handgemachten Bonbons in schönsten Verpackungen gibt es bei Stratta (Piazza San Carlo 191).

Die Kuchenindustrie rühmt sich für eine andere "Antiquität": den Zabaglione, eine Creme aus Eigelb, Marsala und Zucker. Bloß keine Kalorien zählen...

Turin ist die Hauptstadt des Vermouths, eines Aperitifs, der 1786 von Antonio Benedetto Carpano als Ergebnis der Gärung des Weines mit dreizehn Bestandteilen entdeckt wurde. Er kann weiß, süß, rot, trocken und bitter sein.

Frische Pilze und Trüffeln kauft man am besten bei den Brüdern Scanavino (Via Lagrange 38).

Über das Eataly berichte ich an anderer Stelle.


Montag, 22.09.2014: Von Turin nach Alba

Arrivederci, Torino, heißt es heute. Wir sammeln noch ein paar letzte Blicke von der Superga- Kirche, eigentlich Basilica della Natività di Maria Vergine, eine bedeutende und wunderschöne Wallfahrtskirche auf den Hügeln hoch über Turin. Sie ist auch mit einer Zahnradbahn zu erreichen. In jüngster Zeit erlangte die Kirche durch ein tragisches Flugzeugunglück ungewollte weitere Berühmtheit. 1949 stürzte bei dichtem Nebel ein Flugzeug unterhalb der Kirche ab, wobei das angrenzende Klostergebäude beschädigt wurde. Alle 31 Insassen - zum großen Teil Spieler des AC Turin, damals der beste Fussballclub Italiens - starben bei diesem Absturz.

Es geht weiter in das kleine Städtchen Chieri zu einer der mächtigsten gotischen Kathedralen der Region. Der gotische Dom Santa Maria della Scala mit Baptisterium gehört zu den größten im Piemont und entstand Anfang des 15. Jh. auf den Fundamenten einer älteren Kirche.

In Castellinaldo, im Herzen des Ruero, dürfen wir auf dem Weingut von Marina und Emilio Marsaglia unsere Sinne in puncto Barbera-, Roero- und Arneiswein schulen, einen leckeren Mittagsimbiss genießen und uns über die Herzlichkeit der Gutsbesitzer freuen. Wir werden wie Freunde bewirtet.

Außer frischem Weißbrot werden im Piemont als Appetithäppchen immer auch Grissini angeboten, dünne mürbe Brotstangen aus Hefeteig. Sie sind knapp fingerdick mit einer Länge von etwa 30 Zentimetern oder mehr. Besonders lecker sind sie frisch gebacken und richtig kross. Die Brotstangen wurden einst für einen kränkelnden Savoyerprinz erfunden, der kein frisches Brot vertrug.

Das Piemont erstreckt sich von den oberitalienischen Seen bis ans Mittelmeer. Im Zentrum des Dreiecks Turin, Mailand und Genua wachsen Barolo und Barbaresco. Beide Weine werden sortenrein aus der Nebbiolo- Traube gekeltert, sind überall bekannt und gehören seit jeher zur ersten Liga der Prestige-Weine der Welt. Der Barbaresco ist weniger wuchtig als der Barolo, sein Charakter ist eher samtig.

Daneben gibt es weitere empfehlenswerte Weine des Piemont, als da wären

- Barbera, kraftvoll, mit ausgeprägten Pflaumen-Aromen, geringem Tannin mit vollem Körper und einer tief-rubinroten Farbe, ein dennoch leichter Rotwein

- Dolcetto, ein leichter Roter, nicht süß wie der Name vermuten läßt und gern als Tischwein getrunken

- Arneis, ein säurearmer Weißwein mit frischer Intensität aus einer sehr alte Rebsorte, der auch als Baraolo Bianco bezeichnet wird

- Gavi, ein fruchtiger und aromatischer Weißwein aus weißen Cortese-Trauben, ein wenig herb und manchmal mit einer Zitronennuance. Dieser Wein paßt hervorragend zu Fischgerichten.

Nächstes Ziel unser Reise durch das Piemont ist Alba.

Frau HM quält uns seit Beginn der Reise mit detaillierten Ausführungen zu Baustilen, italienischen Königshäusern, Malerei und Ornamentik. Sie merkt erst jetzt, dass die Gruppe nicht übermäßig an kulturhistorischen Details interessiert ist. Es gibt erste "Besichtigungsverweigerungen". Schließlich haben wir eine "kulinarische Reise" gebucht - der Fehler liegt aber beim Veranstalter, der mit seiner vielversprechenden, fast schwülstigen Reisebeschreibung suggeriert, diese Reise bestehe vor allem aus kulinarischen und lukullischen Highlights. Ein Beispiel:

"Weiter geht es nach Alba, wo die berühmte Trüffel allgegenwärtig ist und uns natürlich genauso interessiert wie die hübsche Altstadt und der Dom."

Weder sehen wir Trüffel, noch können wir sie riechen, dafür besichtigen wir den Dom ausgiebig. Die Kunsthistorikerin HM befällt das Grauen angesichts des in den Dom eingebrachten modernen Altars und Bischofsstuhls.

Dann bekommen wir "Freizeit". Dieser Begriff ist erklärungsbedürftig für jemanden, der noch keine Gruppenreise mitgemacht hat. Gemeint ist nämlich folgendes: der Reiseleiter verabschiedet sich (meist für Stunden) und überlässt jedem sich selbst in einer dem Reisenden i.d.R. völlig unbekannten Stadt. Das kann für den Reiseteilnehmer sehr interessant sein, aber auch zum Fiasko werden. Ich habe es mir bei meinen bisherigen Gruppenreisen zur Gewohnheit gemacht, diese Zeit zum Chillen zu nutzen. Gerne setze ich mich in ein Straßencafé, beobachte die Menschen und lasse die Eindrücke auf mich wirken.

Ein paar Einkaufstipps für Alba:

Wein kauft man in der Enoteca Fracchia (Via Vernazza 9) oder bei I Piaceri del Gusto (Via Vittorio Emanuele II 23). Das traditionsreichste Geschäft für Trüffeln ist Tartufi Ponzio in der Via Vittorio Emanuele II 26, aber auch bei Morra (Piazza Pertinace 3) gibt es nur erstklassige Ware. Den besonders aromatischen Torrone di Alba von Relanghe, hergestellt mit der berühmten piemontesischen Haselnuss tonda gentile, gibt es bei Peccati di Gola (Via Cavour 11), wo man auch die unvergleichlich guten Zitrusmarmeladen der Marke Caffè Sicilia findet.

Zur Abwechslung wachsen einmal keine Trauben, sondern Haselnusssträucher rings um die Stadt. Kein Wunder, dass hier die berühmteste Nuss-Nougat-Creme der Welt hergestellt wird. Das Familienunternehmen Ferrero produziert auch "Meine Kirsche", die mit Branntwein gefüllte Praline mit der "Piemont-Kirsche". Denkste! Ferrero kauft die Kirschen ein, wo sie am billigsten sind, meist in Polen oder Chile. Die wenigen Kirschen aus dem Piemont würden nicht weit reichen für die hohe Nachfrage...

Leider besuchen wir Ferrero nicht. Das hatte ich eigentlich auf unserer "lukullischen Reise" erwartet.

Auf der Fahrt nach Cherasco machen wir in Pollenzo halt, Sitz der Slow-Food-Universität der Gastronomischen Wissenschaften. Es ist die erste Hochschule der Welt, die sich
ganz der Lebensmittelkultur widmet, sie hat vor 10 Jahren ihren Lehrbetrieb aufgenommen. Die Universität, an der italienisch und englisch gelehrt wird, will der Gastronomie als komplexer und interdisziplinärer Wissenschaft mit dem Studium einer neuen Ernährungskultur zu akademischer Würde verhelfen. Ziel ist es, ein neues Berufsbild zu schaffen, das des Gastronomen. Die Slow-Food-Bewegung hat auch in Deutschland viele Anhänger. Wir sehen die Uni aber nur von außen. Da hätte ich mir zumindest ein kurzes Referat eines Dozenten gewünscht...

Unser Domizil für die nächsten fünf Übernachtungen ist das Hotel I Somaschi in Cherasco. Das ehemalige Kloster der Somaschi- Pater wurde zu einem Hotel mit 17 Zimmern umgebaut. Aber es ist ein wenig merkwürdig in diesen alten Mauern. Man hat den Eindruck, in einem fast menschenleeren Gebäude zu sein. Betritt man das Treppenhaus oder die Etagengänge, ist es zunächst einmal stockfinster, dann reagiert der Bewegungssensor und schaltet das Licht ein. Im hoteleigenen Restaurant, gelegen in einer kleinen Aula mit Theaterbühne, stellt die Gruppe die einzigen Gäste und wird von zwei ungelernten Kellnerinnen aus Rumänien und Tunesien bedient. Kein Lächeln durchdringt ihren todernsten Blick. Der Oberkellner, ein älterer Italiener, denkt sich nichts dabei, mit brennender Zigarre - hinter dem Rücken gehalten - den Speiseraum zu betreten. Und zum Dinner wird als musikalische Untermalung ein klassisches Reqiem in d-Moll von der CD gespielt. Eine wirklich eigenartige Atmosphäre...

Sucht man danach die Lobby- Bar auf, ist man meist der einzige Gast - und wird auch eher als störend von dem diensthabenden Rezeptionisten empfunden, der gleichzeitig Barmann ist.

Dienstag, 23.09.2014: Asti, Trüffel und Cherasco

"Buongiorno!" begrüßt uns Frau HM wie jeden Tag überschwenglich, fast singt sie den Tagesgruss. "Heute fahren wir nach Asti, va bene?" - "Va bene?" gehört zu HM`s Lieblingsvokabular.

Der Reiseveranstalter kündigt den Besuch in Asti in gewohnter Manier an:

"Heute erwartet uns ein prickelnder Tag. Es geht nach Asti, wo nicht nur der Sänger Paolo Conte geboren wurde, sondern auch die Schaumweintechnologie. Aber nicht nur deshalb läuft uns beim Klang des Wortes Asti das Wasser im Mund zusammen. Auf kleinen Märkten bieten Händler ihre Waren an."

Es tut mir leid, aber nichts davon haben wir in Asti gesehen.

Die hiesigen süßen Schaumweine erfreuen sich großer Beliebtheit, allen voran der leichte Moscato d'Asti und der klassische Asti Spumante, die zum Dessert getrunken werden. Was wir aus deutschen Supermarktregalen kennen, hat mit den Piemontesischen Qualitätssekten aber so gut wie nichts zu tun!

Asti war im Mittelalter die mächtigste und wohlhabenste Stadtrepublik des Piemont. Das mittelalterliche Stadtbild hat sich im Zentrum wunderbarerweise fast vollständig erhalten. Patrizierhäuser, Geschlechtertürme und gotische Kirchen sind bis heute zu bewundern.

Natürlich besichtigen wir ausgiebig die spätgotische Kirche San Secondo und den Dom mit seiner Rokokoausmalung.

Nun werden wir doch noch etwas erleben, was mit Kulinarik zu tun hat. Wir gehen mit einem Trüffelsucher, genannt Trifolao, und seinem Hund in einem Haselnußhain auf die Suche nach dem edlen Pilz. Lila, die Mischlingshündin, findet drei Trüffel. Es handelt sich um Weiße Alba- Trüffel, die meistgeschätzte und teuerste Trüffelsorte. Sie ist von Oktober bis Dezember nur im Langhe Gebiet der Region Piemont zu finden. Wir spekulieren, ob die Exemplare wohl zuvor an den Fundstellen vergraben worden sind. Aber das ist nicht der Fall, denn jede Knolle muss mit einer kleinen Hacke aus dem festen Boden geborgen werden.

Wer möchte, darf an der erschnüffelten Stelle selbst einen Trüffel ausgraben - aber nicht behalten, dafür ist er zu wertvoll. 20 - 25 Gramm (eine Portion für 2 Personen) kosten ca. 40 - 60 €.

Dann folgen wir dem Trifolao Giovanni Monchiero in sein Heimatdorf Roddi, wo er einen kleinen Verkaufsladen sowie ein bescheidenes Museum betreibt und die "Universität der Trüffelhunde", Università dei Cani da Tartufo, ihren Sitz hat. Der kleine Raum ist erfüllt vom Geruch der soeben ausgegrabenen Trüffel und fast keiner von uns entkommt dem Zwang, eines der köstlichen Trüffelprodukte (Trüffelbutter, -creme, -öl,...) zu kaufen.

Zurück in Cherasco haben wir bis zum Abendessen Zeit um den kleinen Ort zu erkunden. Was liegt näher, als die Weinbergschnecken zu probieren, für deren Zucht der Ort berühmt ist. Cherasco ist als italienische "Hauptstadt der Schneckenzucht" anerkannt und seit 30 Jahren gibt es hier das Internationale Institut für Schneckenzucht. Am Freitag beginnt hier das Festival della Lumaca in cucina, an dem sich alle Restaurants des Ortes mit speziellen Schnecken- Menüs beteiligen. Zu den Schnecken passt ein schöner Rotwein, wir wählen einen Barbaresco.

 

5. Tag, Mittwoch, 24.09.2014: In der Heimat des Barolos

"Buongiorno, liebe Gäste!" Heute morgen besichtigen wir eine Produktionsstätte für Torrone. Der weiße Nougat wird hergestellt aus Honig, Eiweiß, Puderzucker, Glukose, Gelatine und "tonna centile", der piemontesischen Haselnuss. Früher wurde die Masse von Hand geknetet, heute machen das Knetmaschinen, wie man sie aus einer Bäckerei kennt. Wir können den Produktionsablauf bis zur Verpackung in einem Familienbetrieb besichtigen, der Antica Torroneria Piemontese in Grinzane Cavour. Vor dem Betreten der Produktionshalle müssen wir Haarhauben und weisse Schutzmäntel anziehen - eine wichtige Hygienemaßnahme. Der Besuch endet im Verkaufsshop, wo man sich mit den Torrone- Leckereien eindecken kann.

Nun aber wieder etwas Kulturhistorisches: Wir besichtigen die mittelalterliche Burg von Grinzane Cavour aus dem 12. Jh., die stolz auf einem Weinberg thront. Das Castello mit dem darin untergebrachten Museum der Langhe ist wirklich eine imposante Anlage. Ferner findet sich hier die Regionale Önothek, in der die besten Weine und Grappe des Piemonts, allen voran der Barolo und der Barbaresco, zum Kauf angeboten werden.

Um Wein geht es jetzt auch in den nächsten Stunden: Wir fahren durch die Langhe, die Heimat des Barolo, des Königs der italienischen Rotweine, und kehren in einem Weingut ein, wo man uns draußen unter einer Pergola den Tisch gedeckt hat. Es gibt wieder ein ausgiebiges Mehrgang- Menü mit diversen lokalen Spezialitäten, regionalen Käse und die guten Weine des Gutes zu probieren. Mein Favorit ist ein 2009er Barolo. Kenner meinen, ein Barolo müsse mindestens 10 Jahre alt sein, damit er seinen Geschmack voll entwickeln kann, aber dieser schmeckt auch..

Der erwachsene Sohn des Gutsbesitzers schenkt ein. Er trägt passenderweise ein T-Shirt mit dem Aufdruck "Barolo Boys". Damit hat er auch sein Auto verziert. Der Begriff steht für die jungen Winzer, die seit den 1980ern die aus der Nebbiolo- Traube gekelterten Weine revolutioniert haben - eine Story, die gerade aktuell mit gleichem Titel verfilmt wurde.

Die Auswahl an Käsesorten kann jeden Gourmet in Verlegenheit bringen, Tomino, Robiole und Tume mit unterschiedlicher Reifung. Die Region kann sich zusammen mit dem nahen Frankreich um die Spitzenstellung bewerben.

Nach den Mittagessen versuchen wir ein paar Kalorien abzuarbeiten, indem wir durch die Altstädte von Barolo und La Morra spazieren. Letzteres wird auch gern als "Balkon der Langhe" bezeichnet. La Morra ist eine der bedeutendsten Weinbaugemeinden des Piemont. Von hier kommen viele der besten Weine der Region Barolo.

Am Abend bleibt nur noch Platz für ein paar Häppchen Salami und Käse, die standardmäßig immer zum Wein oder Bier auf den Tisch gestellt werden.

 

6. Tag, Donnerstag, 25.09.2014: Crea, Casale und Vercelli

Wir besuchen den Sacro Monte di Crea. Auf dem höchsten Hügel des Monferrato wurden 23 Kapellen zu Ehren Marias errichtet. Sie sind auf einer ziemlich steilen Andachtsstrecke angeordnet, die vor der Wallfahrtskirche beginnt und ihren Höhepunkt in der Paradies-Kapelle erreicht.

In Casale Monferrato besichtigen wir den Dom Sant' Evasio mit seinem gewaltigen, blau ausgemalten Kreuzgewölbe. Erwähnenswert ist ferner der Stadtturm, Torre Civica, das Wahrzeichen der Stadt aus dem 11. Jh.

Dann gehts weiter nach Vercelli, dem Zentrum des italienischen Reisanbaus. Die Basilica Sant' Andrea, erbaut Anfang des 13. Jh. in einem Mix aus romanischem und gotischen Baustil, ist ein lohnenswertes Ziel.

Wir wollen das mit dem Reisanbau in der Po- Ebene etwas genauer wissen und schauen uns deshalb in einer Produktionsstätte in Lignana um, der Cascina Veneria. Um es wieder mit Helge Schneider zu sagen: "Es gibt Reis, Baby!" Hier in der Poebene wird Risotto- Reis angebaut, insbesondere die Sorten Arborio, Carnaroli, Vialone, Baldo und Balilla. Die Vorlieben der Spitzenköche konzentrieren sich meist auf den Carnaroli, weil er dem Risotto die meiste Cremigkeit gibt und er länger als alle anderen al dente bleibt.

In der Produktionsanlage wird der Reis als bespelztes Korn angeliefert, das zunächst vom Spelz befreit wird. Der so gewonnene Naturreis wird sodann poliert. Hierbei wird die äußere Haut der Reiskörner mitsamt dem Keim in speziellen Rüttelmaschinen entfernt.

7. Tag, Freitag, 26.09.2014: Das „Saluzzese“

Der Tag beginnt mit einem Besuch der Zisterzienserabtei Staffarda. Die Abtei liegt im Herzen eines großen Landgutes. Sie war im 12. und 13. Jh. ein bedeutendes landwirtschaftliches Handelszentrum. Die zur Abtei gehörende Kirche erinnert mit ihrem Mix aus romanischem und gotischem Baustil an eine Basilika. Sie wurde nach den strengen Regeln des Hl. Bernard gebaut, in schlichter Struktur mit steinernen Bändern aus abwechselnd roten und weißen Ziegeln. Erst viel später, im 16. Jh. wurde der prachtvolle Flügelaltar eingebracht, der mit seinem Prunk der Bescheidenheit der Zisterzienser eher widerspricht. Neben der Kirche befindet sich der Kreuzgang mit den sich daran anschließenden Wohn- und Arbeitsräumen.

Wir sind im Saluzzo und die Markgrafen von Saluzzo hatten Geschmack, wie wir jetzt feststellen werden. Sie suchten sich die schönste Gegend weit und breit und errichteten an den Ausläufern der Seealpen eine von außen eher unscheinbare Burg, die heute von einer sehenswerten Parkanlage umgeben ist, das Castello di Manta. Auch im Inneren ließ man sich nicht lumpen: prunkvolle Fresken, wohin man schaut. Helden aus Mythologie und Geschichte und eine witzige Interpretation des Jungbrunnens. Wacklige Greise schieben sich mit letzter Kraft über den Brunnenrand um als neugeborene Jünglinge umgehend wieder das vergangen geglaubte Ritter- und Liebesleben aufzunehmen.

Noch mehr Romantik im Anschluss: die Altstadt von Saluzzo. Wir haben Glück, als Kulisse dient uns der majestätische Gipfel des Monvisos, an dessen Fuß der Po entspringt.

Einen leichten Salat gönnen wir uns danach auf einem der malerischen Piazzas von Savigliano.

Mit leckeren Spezialitäten in einer Trattoria in Cerasco fällt abends der Abschied vom Piemont besonders schwer. Es gibt wieder einmal ein üppiges Menü, u.a. mit warmen Tomino- Käse, gefüllt mit Radicchio und Birne, sowie Sformato di spinaci, eine Frischkäse-Spinat- Kombination. Herrlich!

8. Tag, Samstag, 27.09.2014: Rückreise von Turin

Unsere Piemontreise geht zu Ende. Wir fahren zurück nach Turin. Dort machen wir vor dem Einchecken zunächst einen Abstecher zum Lingotto.

Das berühmte Lingotto- Gebäude, einstmals die größte und fortschrittlichste Autofabrik der Welt, wurde umgebaut in ein Kongresszentrum, Einkaufszentrum, Konzerthalle und Hotel. Auf dem Dach des fünfstöckigen Gebäudes befindet sich ein Kunstmuseum, das Fiat- Chef Agnelli gestiftet hat, und die ehemalige Fiat- Teststrecke "La Pista", ein 1,6 km langer Rundkurs. Autos wurden dort zuletzt für den Film "The Italian Job" bewegt, heute wird die Piste von Joggern als Trainingsstrecke über den Dächern von Turin genutzt.

Ein Must ist ein Besuch bei Eataly (Via Nizza 230), dem weltgrößten Edelsupermarkt, der auf 2500 m² nur italienische Feinkost- Produkte kleiner Hersteller verkauft und in eigenen Minirestaurants zubereiten oder besser "zelebrieren" lässt. 28 Filialen hat Eataly- Gründer Farinetti inzwischen eröffnet, unter anderem in Chicago, New York und Tokio. Weitere sollen kurzfristig folgen, auch in München. Farinetti ist ein Export- Pionier für italienische Luxus- Lebensmittel - und Eataly ein Paradies für alle, die gerne genießen! I`m in heaven... Der Aufenthalt hier ist viel zu kurz.

Nach einem kurzen Blick auf das Stadtschloss der Savoyer geht es zum Flughafen.

Arrivederci Torino, Arrivederci Piemonte!

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Meine Reiseliteratur- Empfehlungen für das Piemont:

Ohne wenn und aber der Reiseführer "Piemont & Aostatal" aus dem Verlag Michael Müller. Sparen Sie nicht am falschen Ende indem Sie den schmalen Marco Polo- Reiseführer kaufen (Hab ich leider gemacht)!

Wenn Sie ein Freund der piemontesischen Küche sind: Aus der GU-Reihe Küche & Kultur gibt es einen sehr schönen Band "Piemont und Ligurien" von Cornelia Schinharl, nicht nur ein Kochbuch, sondern ein (kulinarischer) Reiseführer der besonderen Art.

Mehr brauchen Sie nicht. Der Rest ist Tasting!

Und hier gehts zurück zur Startseite: www.travelhomepage.de (falls es mit dem Slide-In-Menue am linken Rand mal nicht klappt...)