liegt hier im Westen Griechenlands.
"Fiore di Levante" (Blume des Ostens) haben die Venetier die Insel wegen ihres milden Klimas, ihrer fruchtbaren Böden und der freundlichen Insel- Bewohner genannt. Zakynthos oder "Zante", die südlichste der Ionischen Inseln, ist nur wenigen bekannt. Eva, meine Freundin, kennt zumindest die nördliche Schwester Korfu, für mich ist hier alles neu.

Jede Insel Griechenlands ist eine Welt für sich. Dennoch haben alle etwas gemeinsam, die.National- Farben blau und weiß: das blaue Meer mit seiner weißen Brandung, die weißen Wolken am blauen Himmel und die weißen Häuser mit ihren blauen Türen und Fensterläden, das trifft auch für Zakynthos zu, die Insel, die wir im Sommer 1993 als Urlaubsziel wählen. Der Flieger bringt uns nach Zakynthos- City, der gleichnamigen Hauptstadt der Insel. Blume der Levante? Unser erster Eindruck: verbrannte Erde, baufällige Häuser, Abfall und Lärm rund um den kleinen Airport.
Mit dem Transferbus erreichen wir unser Urlaubshotel in der Nähe von Tsilivi.

Wir sind wirklich "reif für die Insel", d.h.: wir wollen uns erstmal  erholen, relaxen, ausspannen. Also verbringen wir die ersten Tage am Pool und Hotelstrand. Die Sonne brennt gnadenlos und obwohl ich mich mit Sonnenschutzmittel ständig eincreme, hole ich mir einen ordentlichen Sonnenbrand. Schon bald langweilen uns die gleichen Gesichter, der gleiche Small- Talk in der Hotel- Bar und auf der Restaurant- Terrasse. Da gibt es z.B. den Zweigstellenleiter einer Volksbank aus dem Münsterland, Typ "jung, dynamisch und erfolglos", der seine Kompetenz am Pool durch Studium der mind. 5 Tage alten "Financial Times" unter Beweis stellt, und seine Frau, die ihren Horizont durch die Lektüre von "Bella" und "Goldenes Blatt" absteckt. Das ist nicht unsere Welt...

Also mieten wir einen Motorroller. Ein Bekannter unseres "Zwergstellenleiters" (wie Eva ihn nennt) hat mit seiner Freundin eine Enduro gemietet und schon am ersten Tag einen Unfall auf den nicht gerade optimalen Straßen der Insel gebaut, der die beiden für den Rest ihres Urlaubs mit entsprechenden Wundverbänden an das Hotel fesselt. Hier fährt man auf Zweirädern üblicherweise ohne Schutzhelm, dafür mit Shorts und Mini- Rock... Deshalb ist es oberste Regel, nicht zu übermütig oder draufgängerisch zu fahren. Mit den kleinen Roller- Reifen ist das Fahren auf den unbefestigten Nebenstraßen (tiefe Längs- und Querrillen, Schotter...)  besonders schwierig. Obwohl ich nie zuvor einen Roller gefahren habe, entwickle ich offenbar besondere fahrerische Qualitäten, die mir den Beinamen "Crossie Crossroad" (awarded by Eva) einbringen.

Wir nutzen unseren Roller zunächst um die nähere Umgebung kennenzulernen, suchen und finden besonders schöne Strandabschnitte in der Umgebung (z.B. den Strand von Amboula - seit Jahren mit der "Blauen Flagge" der EU für besondere Wasserqualität ausgezeichnet) und für den Abend Musik- Schuppen (aktueller Hit 1993: "Life is life"), die mehr an Unterhaltung bieten als unser abseits gelegenes Hotel. Dort kann man abends nach dem Dinner auf der Pool- Terrasse nur noch einen Schlummer- Cocktail an der Bar nehmen und dann Gecko und Hase ´Gute Nacht´ sagen. Mehr läuft hier nicht. Das ist ganz erholsam, aber auf die Dauer auch langweilig. Interessant sind jedenfalls abends im Hotel: das ohrenbetäubende Zirkaden- Konzert und die Geckos an den Mauerwänden. Die Geckos haben es uns angetan: Anfangs können wir uns - insbesondere mit vereinzelten Exemplaren in unserem Zimmer - nicht mit ihnen anfreunden. Sie sind uns unheimlich, doch wir lernen sie als angenehme Mitbewohner schätzen. Die Viecher tun einem nichts, sie sorgen vielmehr für eine ungestörte Nachtruhe, da sie als Betthupferl Mücken bevorzugen... Die Mücken sind besonders scharf auf Eva, sie kann sich nur mit einem "Autan- Ganzkörper- Anstrich" retten. Na toll!

Dann beginnen wir mit der eigentlichen Erkundung der Insel. Auf kleinen Nebenstraßen suchen wir mit dem Roller unseren Weg durch Gemüsefelder und Weingärten nach Laganas. Der Ort wurde wegen seines feinen Sandstrandes zu einer touristischen Hochburg. In unmittelbarer Nähe des Strandes erwartet den Besucher eine wahre Kolonie von Tavernen und Andenkenbuden - wer´s mag... Neben den Touristen gibt es aber noch eine besondere Species, die die Strände von Laganas mag: die Meeresschildkröte Caretta- Caretta, die hier ihre Eier ablegt und ausbrütet. Die Schildkröten stehen unter Naturschutz, weil ihre Art vom Aussterben bedroht ist. Überall sind Hinweisschilder angebracht, auf denen um Rücksichtnahme und besondere Aufmerksamkeit bei Gelegen gebeten wird. Wir rätseln, wie das gelingen mag - Tourismus und Naturschutz? Die Carettas kommen nachts zur Ei- Ablage an Land und am nächsten Morgen rammen die Touris versehentlich ihre Sonnenschirme in die im Sand verbuddelten Gelege... Einige Strände auf Zakynthos sind das einzige Brutrevier dieser Meeresschildkröten. Vor dem Hafen von Laganas entdecken wir eine winzige Insel, die sich bei einem früheren Erdbeben vom Land löste. Sie ist über eine kleine Brücke mit dem Land verbunden. Auf dem Inselchen führt eine in den Fels gehauene Treppe nach oben, von wo man einen sehr schöne Rundumsicht hat. Selbstverständlich betreiben die Einheimischen auch hier eine Taverne...

Inmitten der Insel liegt eine weite, fruchtbare Ebene, die Riisa ("Wurzel" ). Zwischen Gaitani, Macherado und Katastari grünt und blüht es wie im Paradies(?). Die Früchte liegen durch die überhängenden Zweige wirklich "auf der Straße", ich fahre in diesem Schlaraffenland teilweise Slalom zwischen auf der Straße liegenden Oliven, Mandeln, Walnüssen, Beeren, Feigen und Weintrauben. Besonders erstaunlich angesichts der kahlen Küste: Wir fahren auch durch ausgedehnte Kiefernwälder - begleitet vom allgegenwärtigen Konzert der Zirkaden. Aber es gibt - wie auf anderen griechischen Inseln - auch ein negatives Kapitel: wilde Müllkippen mit stinkenden Schwelbränden.

Wir besuchen das Nonnenkloster Eleftherotria bei Macherado, mitten in der Riisa. Der Komplex wurde erst in den 60ern mit vielen maurischen Elementen erbaut und verbreitet in dieser Landschaft eine einzigartige Atmosphäre.

An der Nordspitze der Insel, beim Kap Skinari, wollen wir die "Blauen Grotten" besichtigen. Sie sind nur mit dem Boot von Zakynthos- Stadt oder (besser) vom Leuchtturm Skinari erreichbar. Von dort fährt uns ein Fischer mit seinem kleinen Motorboot in die vom Wasser über Millionen Jahre ausgespülten Höhlen und durch die Bögen - ein Traum in Blau, dem man sich nicht entziehen, viel weniger diesen auf einem Foto festhalten kann. Das muss man einfach erleben! Wir halten die Hände ins Wasser und glauben, ein Hologramm zu sehen. Es fällt schwer, die Eindrücke wiederzugeben, ein fast unwirkliches Naturwunder entsteht hier durch Wasser und Licht!

Ein weiteres Must für jeden Zakynthos- Besucher ist das  "Schiffswrack". Westlich der Blauen Grotten findet man eine von gigantischen Felswänden gesäumte Bucht, die fast jeder Griechenland- Tourist schon mal auf Postkarten gesehen hat, dessen Herkunft oder geografische Lage auf Zakynthos aber die wenigsten kennen: Die Navagio- Bucht mit dem dort gestrandeten Schiff! Die Bucht selbst ist auf dem Landweg nicht zu erreichen (außer für Freeclimber...). Die Anfahrt zu einem der wenigen Aussichtspunkt auf die Bucht ist schwierig zu finden und zu fahren, aber es lohnt sich! Hier ist der ganze "Crossie Crossroad" gefordert. Zunächst rasten wir an einem alten verfallenen Kloster. Leider gibt es dort nichts zu trinken, die Mönche haben das Gebäude wohl schon vor langer Zeit aufgegeben. Auf dem Weg zum Wrack begegnet uns ein anderes Paar, das es mit dem Jeep versucht  - und aufgegeben hat. Die Schlaglöcher und Querrillen zwingen uns dazu, streckenweise den Roller zu schieben. Eine Geländemaschine wäre hier wohl angebrachter. Vielleicht ist die Strecke heute besser ausgebaut. Aber wir schaffen es! Von den steilen Klippen herab genießen wir einen grandiosen Ausblick auf die Bucht und das Wrack. Es werden auch Bootsfahrten dorthin angeboten, vom Meer aus soll das Farbenspiel aber nicht so überwältigend sein..

10 km staubige Schotterpiste weiter erreichen wir Porto Vromi, eine idyllische kleine Felsenbucht, die auch Ausgangspunkt für Bootstouren ist. Hier löschen wir erstmal unseren Durst mit Mineralwasser und stärken uns mit einem zünftigen Bauernsalat.

Nach einem der zahllosen Stopps springt der Roller nicht mehr an. Der Automatik- Starter hat wohl einen Wackelkontakt, also den Motor per pedes starten. Aber auch das funktioniert nicht. Nach zahlreichen vergeblichen Versuchen hält ein Pickup auf der einsamen Straße. Ein junger Grieche steigt aus und hilft. Beim 2. Versuch läuft der Motor wieder. Er lächelt. Ich komm´ mir ziemlich blöd vor, habe wohl beim Kick- Start zuwenig oder zuviel Gas gegeben. Die Episode ist aber ein gutes Beispiel für die Hilfsbereitschaft der Inselbewohner, von der Gastfreundschaft ganz zu schweigen.

Wir machen wieder mal Rast in einem Dorf- Kafenion, das meist wie eine Mischung aus Campingplatz- Kiosk im Rohbau, Kühltruhe, Kaffeemaschine, Plastikstühlen und -tischen aussieht. Irgendwo in einem Hinterraum gibt es eine "Küche", wo der Wirt nötigenfalls einen Salat zubereiten kann. Üblicherweise sitzen schon einige Einheimische an den Tischen, unterhalten sich oder spielen Tavli. Jeder Fremde wird freundlich und zuvorkommend bedient, die Getränke- Preise sind niedrig. Die Kafenions liegen meist direkt an der Durchgangsstraße. Es ist nicht ungewöhnlich, daß 1 m neben einem gerade ein Auto auf der Straße repariert wird, also: mitten im Leben!

  In den letzten Tagen sind wir öfter an einem traumhaft gelegenen Restaurant an der Felsküste vorbeigefahren. Hier wollen wir heute zu Abend essen. Ein sehr romantisches Ambiente: tolles Essen, Kerzenlicht, safter Wind, zantische Balladen, die im Meer untergehende Sonne... Irgendwie lassen wir uns aber nicht von der Atmosphäre einfangen. Soll wohl heute nicht unser Abend sein. C´est la vie, c´est la guerre! Kommt in den besten Familien vor...

Zakynthos- Stadt, Hauptstadt und größter Hafen der Insel zu Füßen eines mächtigen Burgberges, steht auf unserem Programm. 1953 hat es hier ein sehr schweres Erdbeben gegeben, von dessen Zerstörungen sich die Stadt bis heute nicht ganz erholt hat. Wir bummeln durch die engen Gäßchen, besichtigen Ai Nikolas tou Molou, eine kleine Renaissance- Kirche aus dem 17. Jh. mit separatem Glockenturm (kennt man in Griechenland nur auf Zakynthos) sowie die Kirche des Inselheiligen Agios Dionysios mit ihren wunderschönen Wandmalereien, wandern hinauf zur Festung und zum Strani-Hügel und lassen uns schließlich in einem Strandcafe an der Uferpromenade nieder. Insel und Stadt sollen in ganz Griechenland für ihre melodischen Lieder "kantades" bekannt sein, von denen wir aber nichts mitbekommen. Die Insel soll auch viele große griechische Dichter hervorgebracht haben.

Am Tag unseres Rückflugs lernen wir am Pool ein Paar aus dem Saarland kennen, die dort ein Sportstudio betreiben. Ich muss ein Vorurteil korrigieren, dachte diese Typen hätten es alle nur im Bizeps, aber nicht im Hirn. Wir unterhalten uns jedoch sehr angeregt. Schade, daß wir sie nicht früher kennengelernt haben... Unser Flug zurück startet am Abend. Eva hat hier auf Zakynthos eine fantastische Bräune bekommen, weshalb ich ihr den Spitznamen "Schoco Chanel" verleihe.

Zakynthos ist in meiner Erinnerung ein glückliches Fleckchen Erde für einen erholsamen Urlaub.