Byzanz - Konstantinopel - Istanbul, diese Stadt hat wirklich eine außergewöhnliche Geschichte. Griechen, Römer und Osmanen haben die Stadt geprägt, die einmal die größte und prachtvollste der Welt gewesen sein soll. "Jeder Satz über die Stadt am Bosporus ist so wahr wie sein Gegenteil", habe ich irgendwo gelesen. Und irgendwie stimmt das. Ein Großteil der Faszination, die den Besucher einfängt, wird durch die Gegensätze geprägt: Orient und Moderne, Europa und Asien, die Dörfer Anatoliens und die Urbanität der Metropole treffen oder besser "prallen" hier aufeinander. Istanbul ist die heimliche Hauptstadt der Türkei und die einzige Stadt der Welt, die auf zwei Kontinenten liegt.

Freitag, 27.04.07: Am Atatürk Airport holt uns der Fahrer unseres Hotels ab. Wir haben das Yusufpasa Konagi im historischen Zentrum Sultanahmet gebucht. Das Hotel gehört mit seinen 20 Zimmern zu den sogenannten Boutique- Hotels, die nicht nach den gängigen Sternekategorien bewertet werden: Das Yusufpasa ist ein umgebautes ottomanisches Stadthaus aus dem vorletzten Jahrhundert, eingerichtet in landestypischem Ambiente. Eine Bahnlinie führt in unmittelbarer Nähe vorbei und dann gibt es da noch das Außenzelt eines benachbarten Fischrestaurants. Von ruhiger Lage kann man also nicht unbedingt sprechen.

Alle wichtigen Sehenswürdigkeiten sind von hier in wenigen Minuten zu Fuß erreichbar. Da es noch früher Nachmittag ist, machen Karin und ich uns auf zu einer ersten Stadterkundung. Haydi, haydi! Auf gehts! Wir laufen runter zum Marmarameer, wo uns während der Taxifahrt zum Hotel die vielen Handelsschiffe auf ihrem Weg durch den Bosporus aufgefallen waren.

Der Name "Bosporus" wird auf eine griechische Legende zurückgeführt. Danach hatte Zeus ein amoröses Abenteuer mit einer wunderschönen Frau namens Io. Diese Affäre erzürnte Zeus` Göttergattin Helena, die aus Rache die Geliebte ihres Mannes in eine Kuh ("bous") verwandelte und sie von einer Stechfliege malträtieren ließ. Io sprang auf der Flucht vor dem Insekt quer über die Meeresenge ("poros"). Bosporus bedeutet demnach eigentlich "Furt der Kuh" - wie unangemessen für eine so bedeutende Wasserstrasse!

Am Marmarameer, zwischen Mittelmeer und Schwarzem Meer, spazieren wir die Strandpromenade am Kennedy Caddesi runter bis zum Fischmarkt. Hier liegt das einstige Fischerviertel Kumkapi, das heute zu einem "Fischrestaurant"- Viertel geworden ist. Wir lassen uns nicht von den Schleppern auf der Straße in eines der Lokale locken, es ist noch zu früh am Abend. Vielmehr laufen wir parallel zum Ufer zurück durch die Straßen des Viertels, das - zumindest zu dieser Tageszeit - vom Tourismus wenig beleckt ist. Hier gibt es kleine Geschäfte für den täglichen Bedarf, Bäcker (Karin entdeckt ihre Vorliebe für das klebrige und süsse türkische Gebäck Baklava), Fleischer, Gewürzhändler und was weiß ich noch alles. Kinder spielen in den Straßen, Wäsche hängt draußen an den Balkonen. Es ist ein eher ärmliches Viertel, aber erstaunlich sauber. Schließlich landen wir wieder im Stadtteil Sultanahmet am Platz des alten Hippodroms Konstantinopels. Das Hippodrom war eine elliptischen Arena für Pferde- und Wagenrennen, ähnlich dem Circus Maximus in Rom. Lediglich drei Säulen sind davon heute noch zu sehen: ein ägyptischer Obelisk aus Karnak (Luxor), die Schlangensäule aus Delphi und ein gemauerter Obelisk.

Südlich von diesem Platz liegt die legendäre Sultanahmet Camii, die "Blaue Moschee", der berühmteste osmanische Bau Istanbuls. Seinen Namen verdankt das Bauwerk den kunstvoll angefertigten Fayencen, die den Innenraum zieren. Die riesige Moschee hat sechs Minarette, was bis zu ihrem Bau nur der Kaaba- Moschee in Mekka vorbehalten war. Für diesen Affront mußte Sultan Ahmed I. als Sühne noch einen siebten Turm für Mekka stiften. Wir sind kurz vor der Gebetszeit um 19 Uhr dort, dürfen aber noch rein. Die Schuhe ziehen wir draußen aus und nehmen sie in einer Plastiktüte mit hinein. Karin bindet sich ein mitgebrachtes Kopftuch um, wie wir meinen eine Geste des Respekts gegenüber den Gläubigen, die sich aber als überflüssig herausstellen soll. Hier in Istanbul besteht man nicht auf Kopftuchtragen bei den Touristinnen, sehr wohl aber auf bedeckte Schultern und Knie. Nötigenfalls wird ein Umhang leihweise zur Verfügung gestellt. In der ungeheuren Weiträumigkeit der Moschee beeindruckt der tief hängende, riesige Leuchtenkranz in der Mitte der Hauptkuppel. Das warme Licht der untergehenden Sonne bricht sich in den kleinen Fenstern der Kuppeln. Ein wunderschöner Anblick.

Wir suchen uns ein Restaurant in der Nähe, wo wir das auch in Deutschland bekannte Sis Kebab, gegrillte Lammspieße, essen. Der Laden ist überwiegend touristisch frequentiert, aber sauber und gemütlich. Das Essen schmeckt, die Bedienung ist zuvorkommend, wir fühlen uns wohl. Am Abend werden die Scheinwerfer eingeschaltet, die auf die Blaue Moschee gerichtet sind. Dann sehen der Kuppelbau und die Minarette sandfarben aus, ein prachtvoller und märchenhafter Anblick.

Samstag, 28.04.07: Der Muezzin ruft gegen 5 Uhr per Lautsprecher zum ersten Gebet des neuen Tages. Das ist ungewohnt und macht wach.

Zuhause hatte ich ein wenig gegoogelt und mal die Suchbegriffe "Istanbul Führung" eingegeben. So bin ich auf Serhat Basaran aufmerksam geworden, einen rundum sympatischen, lizensierten Fremdenführer, der auch private Führungen durch Istanbul übernimmt. Ich habe via eMail mit ihm ein Treffen um 8:30 an der Hotelrezeption vereinbart. Er ist da, ich erkenne ihn sofort, weil er Fotos von sich und seiner Familie ins Internet gestellt hat. Wir besprechen unsere Wünsche mit ihm. Karin und ich möchten "Istanbul, halb und halb", also ein wenig Standard- Programm und dann die Stadt "off the beaten tracks". Serhat wird uns nicht enttäuschen.

Wir laufen die wenigen hundert Meter zur Blauen Moschee. Sie hat im frühen Morgenlicht eine ganz andere Wirkung als am Vorabend. Serhat erzählt uns von der Geschichte des Gotteshauses und gibt uns Erläuterungen zu seiner kunsthistorischen Bedeutung.

Durch die herrlich blühenden Parks geht es Richtung Hagia Sophia. Nicht Amsterdam, sondern Istanbul ist übrigens die "Tulpenstadt", hier liegt die Wiege des europäischen Eroberungszuges der Tulpe. Die Blumen sieht man zu dieser Jahreszeit überall im Stadtbild. Zunächst führt uns Serhat zum Mehmet Efendi Medresesi, einer Art Boutique- Hof mit vielen kleinen Räumen für das lokale Kunsthandwerk. Hier gibt es Fliesen, Kalligraphie, textile Bilder, traditionelle Kostüme, Gemälde und Porzellan. Doch am besten gefällt uns beiden der Raum der Glaskünstler. Karin kauft später hier als Andenken an Istanbul eine kunstvoll verzierte Glas- Karaffe.

Unmittelbar dahinter liegt das "Four Seasons Hotel Istanbul", ein 5-Sterne-Hotel. Im klassizistischem Stil erbaut, war das Gebäude einst Behördenresidenz, sogar Gefängnis für prominente Inhaftierte, bis es zum heutigen Luxushotel umgebaut wurde. Wir schauen mal kurz rein und können uns gut vorstellen, uns auch hier wohlzufühlen.

Die Hagia Sophia, "Kirche der göttlichen Weisheit", ein Meisterwerk der byzantinischen Baukunst, wurde in der bis heute erhaltenen Form 532 fertiggestellt. Zwei vorherige ursprüngliche Bauten sind abgebrannt. Ursprünglich eine christliche Kirche wurde sie nach der türkischen Eroberung im Jahre 1453 zur Moschee - bis Kemal Atatürk, der Gründer der modernen Türkei, sie zum Museum erklärte.

Es ist ein großer Vorteil, einen professionellen Fremdenführer dabei zu haben. Er besorgt die Eintrittskarten abseits der Warteschlangen in null komma nix Minuten. Schon sind wir drin. Serhat macht es spannend: Erklärungen und Informationen erst vor der alten Kirche, dann im ersten Vorhof, dann im zweiten Vorhof und dann endlich im Innenraum des riesigen Kirchenschiffs, dessen Kuppel in 56 m Höhe endet. Einfach gigantisch!

Über eine lange steinerne Rampe gelangen wir auf die Empore der Kuppel. Von hier oben bekommt man ein Gespür für die Größe dieses Sakralbaus. Zudem sind hier viele der ursprünglichen Mosaike freigelegt, Darstellungen von Christus, der Gottesmutter, der Erzengeln und Aposteln. Aus den Fenstern hat man einen fantastischen Ausblick auf die Dächer der Blauen Moschee.

Im nördlichen Seitenschiff befindet sich die „Säule des Heiligen Georg“, der heilende Kräfte zugeschrieben wird. Und noch etwas: Wenn man den Daumen in das Loch der Kupfermanschette steckt und die Hand um 360 Grad dreht, geht ein Wunsch in Erfüllung - sagt der Volksglaube. Wir haben es mal ausprobiert. Mein Wunsch ging jedenfalls nicht in Erfüllung...

Wir möchten eine Rast einlegen und etwas trinken. Das machen wir in einem Straßencafe in der Nähe. Hier besprechen wir auch den weiteren Tagesverlauf. Serhat schlägt als nächstes Ziel das Viertel der wohl sektenhaft zu nennenden muslimischen Traditionalisten vor, wo die Männer neben langen Gewändern die traditionelle Kopfbeckung tragen und die Frauen ausschließlich im Schador die Straße betreten. Die modernen Türken Istanbuls distanzieren sich von dieser extremen Form der Glaubensbekundung, aber es gibt sie.

Die Versuche islamischer Bewegungen, Einfluss auf das öffentliche Leben zu nehmen, sind nicht zu übersehen. Atatürk würde sich im Grabe umdrehen, wüßte er von den rückwärts gewandten Bestrebungen, Staat und Religion wieder zusammenzuführen. Der von ihm postulierte Laizismus, die Trennung von Staat und Religion, wird vom türkischen Militär traditionell verteidigt. Die Türkei hat da wohl noch eine wechselhafte Entwicklung vor sich, Ende offen.

Serhat schlägt vor, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Wir lehnen ab, wollen lieber zufuß gehen und Atmosphäre schnuppern. Okay, wird sich Serhat gedacht haben, ganz wie die Touris wünschen... Unterwegs passieren wir den Großen Basar mit seinen unzähligen Gassen und Seitengassen, die meisten davon thematisch geordnet - Goldschmiede, Silberschmiede, Tuchhändler, Matratzenhändler, Süßwarenhändler, Elektronikhändler, Handyverkäufer usw, usw . Hier gibt es nichts, was es nicht gibt.

So langsam könnten wir uns zur Bekämpfung des"kleinen Hungers" einen mittäglichen Imbiss vorstellen. Serhat überlegt und findet für uns schließlich ein Lokal, das wohl nur von Istanbulern besucht wird. Wir bestellen als Getränk Ayran, einen säuerlichen türkischen Joghurt, der mit Wasser und Salz verquirlt wird und herrlich durstlöschend ist. Dazu gibt es Vegetarisches und Lammfleisch vom Grill sowie Lahmacun, "türkische Pizza", eine Art dünn belegter Fladen. Lecker und preiswert. Karin erwischt eine höllisch scharfe Chillischote - und ringt nach Luft - während Serhat ein wenig von seiner Familie erzählt.

Ganz in der Nähe liegt die Süleymaniye- Moschee, erbaut von Sinan, dem berühmten Hofbaumeister von Suleiman I., genannt "der Prächtige". Als wir ankommen, ist gerade eine Beerdigungsgesellschaft vor der Moschee eingetroffen. Der Leichnam des Verstorbenen liegt zugedeckt auf einem Aufbahrungstisch vor der Moschee. Muslime pflegen ihre Toten nur in einem Leichentuch beizusetzen, nicht in einem Sarg. Auch die Gräberkultur und das Andenken an die Verstorbenen unterscheidet sich stark von dem der Christen. In der Glaubenslehre des Islam gibt es keine "Wiederauferstehung von den Toten", dafür den Glauben an das ewige Leben und eine unerschütterliche religiöse Liebe zu Allah, dem einzigen und wahren Gott, und seinem Propheten Mohammed. Jesus ist für Muslime einer unter vielen Propheten, nicht mehr und nicht weniger.

Im Traditionalisten- Viertel begegnen uns Menschen und Straßenzüge wie aus dem tiefsten Orient. Für die Menschen hier sind wir einfach nur "Ungläubige". Blickkontakte zu den wenigen Frauen im Straßenbild sollte man nicht suchen, den Männern gegenüber begegnet man besser mit Übersehen. Ich bedauere sehr, dass Religion zu einem so spaltenden Element werden kann.

Wir laufen weiter durch den Stadtteil Fener ins "griechische Viertel". Hier haben noch vor wenigen Jahren oder Jahrzehnten viele Griechen gewohnt, hier steht das Griechische Gymnasium und die älteste durchgängig erhaltene griechisch- orthodoxe Kirche Istanbuls. Wir haben Glück, denn gerade im Moment unseres Vorbeilaufens öffnet die Küsterin das kleine Tor in der Mauer, die die Klosterkirche umgibt. Wir bekommen die Gelegenheit, die Mouchliotissa- Kirche (Kirche der Hl. Maria der Mongolen) von innen zu besichtigen - und das sogar obwohl gerade Architekten und Restauratoren ihrer Arbeit nachgehen. Noch heute wird in der Kirche ein Dokument aufbewahrt, worin Sultan Mehmed II. der Mouchliotissa den Weiterbestand erlaubte. Nur so wurde sie vor der Umwandlung in eine Moschee verschont.

Ich bitte Serhat, uns ans Goldene Horn zu führen. Wir genießen die Sicht auf das Wasser und die vorbeifahrenden kleinen Boote. Hier hat Sultan Mehmed II. einst eine auf hölzernen Schwimmern ruhende Eisenkette über die Meerenge legen lassen um Angreifer abzuhalten. Für uns heute unvorstellbar. Dann nehmen wir die Straßenbahn zur Galata- Brücke, wo der Ägyptische Basar, auch Gewürzbasar genannt, beginnt. Ein verführerisches Potpourri aus exotischen Gewürzen, Tee, Gebäck, Käse, Oliven, Kaviar, Kräutern, Fleisch und noch viel mehr erwartet den Besucher. Wir können nicht widerstehen und kaufen einige Gewürze.

Über die Galata- Brücke laufen wir zur Haltestelle der Tünel- Bahn. Sie ist mit 614 m Streckenlänge die kürzeste und zudem drittälteste U-Bahn der Welt - so Serhat, und der muss es ja wissen.

Von der Endstation aus geht es die Istiklal Caddesi hoch Richtung Taksim- Platz. Beyoglu, das ist der Stadtteil der modernen Türkei. Man könnte meinen, man sei in Mailand, London, Paris oder Berlin. Die Gegensätze zu den Verschleierten im Traditionalisten- Viertel könnten nicht größer sein. Hübsche junge Frauen im Minirock, andere mit grell gefärbten Haaren, High- Heels, Juppies westlicher Coleur, überall Markengeschäfte. Wer das nicht gesehen hat, begreift diese Stadt nicht - oder er begreift sie noch weniger. In den Seitenstraßen gibt es edle Ladenzeilen neben Ramschgeschäften, tolle Restaurants neben Touri- Fallen. Man sollte schon vergleichen, aber das gilt ja für fast alles.

Irgendwann macht Laufen auch müde. Den Rückweg zum Hotel bewältigen wir mal zur Abwechslung komplett mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Wir bedanken uns bei Serhat und machen uns frisch für ein abendliches Dinner. Unweit des Hotels gibt es eine kleine "Restaurantmeile". Wir entscheiden uns für das Restaurant mit dem am wenigsten aufdringlichen Schlepper vor der Tür- keine schlechte Wahl, wie sich herausstellt. Gemütliche Räume, Candlelight, gutes Essen.

Wenn ihr Kontakt aufnehmen wollt zu unserem wirklich sehr guten und sympathischen Stadtführer, Serhat Basaran, hier findet ihr seine website: www.istanbulguide.de (dort stehen auch die Preise für Führungen).

Sonntag, 29.04.07: Heute beginnt der Tag denkbar schlecht. Der Himmel ist bedeckt und das Frühstück auf der verglasten Dachterrasse des Hotels kann auch nicht gerade begeistern - was aber mit dem Frühstücksbuffet rein gar nichts zu tun hat...

Wir wollen am Vormittag den Topkapi- Palast besichtigen. Serhat hat uns dringend geraten, schon um 9 Uhr an der Schatzkammer oder dem Haremsbereich zu sein. Natürlich hatte er Recht: Als wir gegen 10 Uhr dort sind, haben sich schon lange Schlangen gebildet, aber nicht von Touristen, die Istanbuler nutzen den Sonntag für einen Familienausflug. Die Warteschlangen kümmern uns nicht, wir genießen von einer der Terrassen aus den herrlichen Blick auf das mittlerweile sonnenbeschienene Goldene Horn, schlendern durch die einzelnen Gebäude des prächtigen mit kunstvollen blau-türkisen Iznik-Kacheln verzierten Komplexes. Es ist für uns gut vorstellbar, wie der Sultan und sein Hofstaat hier einst lustwandelten. Die Ausmaße dieses Palastes ähneln denen einer kleinen Stadt. Die herrlich frische Luft auf dieser Landzunge zwischen den Meerarmen bereichert die atemberaubende Schönheit des Topkapi- Palastes noch zusätzlich.

Ganz in der Nähe liegt der Eingang zu einer gut erhaltenen byzantinischen Zisterne. Diesen unterirdischen Wasserspeicher kann man auf Holzstegen begehen. Lichtspiele und leise klassische Musik geben dem Ort einen mystisch- romantischen Anstrich. Auch wir lassen uns von diesen Eindrücken verzaubern. Ab und zu fällt uns ein Wassertropfen von der Gewölbedecke auf den Kopf.

Die Sonne hat sich im Laufe des Vormittags durchgesetzt und scheint in gewohnter Stärke. Wir gönnen uns einen kleinen Mittagsimbiss auf der Dachterrasse des Hotels "Blue House" nahe der Blauen Moschee. Von hier oben hat man einen fantastischen Blick über Sultanahmet, das Goldene Horn, den Bosporus und das Marmarameer.

Karin möchte nach Asien. Wir nehmen ein Taxi zum Eminönü- Fähranleger. Prompt werden wir abgezockt, der Fahrer hat unterwegs unbemerkt den Taxameter abgeschaltet und präsentiert am Ende der kurzen Fahrt den stolzen Preis von 14 YTL. Das ist zuviel, aber ich denke, in Deutschland hätte ich den gleichen Preis für die Strecke bezahlt und rege mich nicht auf. Wir nehmen die Fähre über den Bosporus nach Kadiköy auf der asiatischen Seite des Marmarameers. Auf der Passage sind drei monumentale Gebäude nicht zu übersehen. Zuerst geht es vorbei an der an ein großes Kloster erinnernde Selimiye- Kaserne, wo während des Krimkrieges die berühmte englische Krankenschwester Florence Nightingale wirkte. Der orientalisch wirkende Bau der Marmara- Universität ist der nächste Wegpunkt bevor die Fähre vor dem riesigen neoklassizistischen Bahnhof von Kardiköy festmacht. Der quirlige Ort mit seinen vielen Ladenstrassen und dem Marktviertel ist eher westlich geprägt, "Asien" hat hier nur eine geografische Berechtigung. Ich nutze die Gelegenheit, die angebotenen Dienste eines Schuhputzers in Anspruch zu nehmen. Das hätte ich lieber nicht tun sollen, denn der junge Mann schmiert alle verfügbaren Cremes und Lotionen auf meine Schuhe. Sie glänzen anschließend wie eine Speckschwarte und sehen am nächsten Tag aus wie der Baumstamm einer Platane.

Eine hübsche junge Türkin, die gerade mit ihrem amerikanischen Freund unterwegs ist, merkt, dass wir etwas orientierungslos sind und gibt uns Tipps für einen Geschäftebummel. Hier in Kardiköy sind - im Gegensatz zu Sultanahmet - nur wenige Touristen unterwegs, dafür umso mehr Menschen aus Istanbul und Umgebung. Natürlich behalten wir den letzten Rückfahrttermin der Fähre im Auge. Lieber etwas früher am Hafen sein und noch einen Cay, den gesüßten schwarzen Tee, aus den typischen kleinen Teegläsern trinken.

Für den Abend haben wir uns einen Tisch im nahe am Hotel liegenden Szene- Fischlokal Balikci Sabahattin reservieren lassen. Frische Vorspeisen, genannt Meze, werden zur Auswahl am Tisch angeboten. Der von mir danach als Hauptgericht gewählte White Snapper ist erstklassig, der Doluca, ein türkischer Weißwein, schmeckt ebenfalls gut.

Montag, 30.04.07: An den Anlegestellen von Eminönü, östlich der Galata- Brücke, starten zahlreiche große und kleine Schiffe zu einer Bosporus- Tour. In jedem Reiseführer steht die Empfehlung, die Linienfähre der Turkish Maritime Lines zu nehmen und sich nicht von den Touri- Booten und deren Schlepper einfangen zu lassen. Also sind wir schon frühzeitig an der Pier. Als wir den richtigen Schalter gefunden haben, ist dieser noch nicht geöffnet. Wir nutzen die Zeit für einen Bummel entlang der Restaurants unterhalb der Galata- Brücke. Hier wird gerade vom Vorabend aufgeräumt und die Tische für den Mittag eingedeckt. Zurück am Ticketschalter hat sich bereits eine Menschentraube davor gebildet. Ich stelle mich an und muss auf den letzten Metern schon mal meine Ellbogen einsetzen um nicht abgedrängt zu werden. Dann halte ich unsere Return- Tickets in den Händen. Wir können an Bord gehen. Das Schiff ist schon fast vollständig besetzt, wir finden dennoch bescheidene Sitzplätze.

Um 10:30 Uhr legt die Fähre ab. Eine wunderschöne Ausflugsfahrt beginnt. Sozusagen im Zickzackkurs fährt das Schiff abwechselnd entlang der europäischen und asiatischen Seite des Bosporus. Unter zwei großen Brücken geht es Richtung Schwarzes Meer. Unterwegs wird an sechs Pieren angelegt, Passagiere steigen ein und aus. Moscheen, Paläste, Villen, traumhafte kleine Orte wechseln sich ab bis wir Anadolu Kavagi, das Ziel unserer Bosporus- Fahrt erreichen. Das kleine Dorf lebt von der Fähre. Zahlreiche Restaurants und ein paar Souvenirläden prägen den sonst eher uninteressanten Ort. Eine kleine Gruppe Ausflügler macht sich auf den Weg zu der auf einer Anhöhe liegenden byzantinischen Burgruine, wir auch. Doch zuvor legen wir auf halber Strecke eine Rast ein. Bei Ayran und ein paar frittierten Calamari- Ringen genießen wir als jetzt noch einzige Gäste eines Gartenlokals die Ruhe dieses Ortes. Dann folgen wir den anderen bergaufwärts. Von der Burgruine aus hat man einen wirklich unvergleichlich schönen Ausblick über den Bosporus bis hinüber zum Schwarzen Meer. Fantastisch!

Auch hier gilt: Auf die Ablegezeit der Fähre achten. Die Rückfahrt erleben wir vom offenen Oberdeck der Fähre aus. Es ist windig, aber die Sonne wärmt gut. Wir lassen die vorbeiziehenden Landschaften auf uns wirken und können nur jedem Besucher empfehlen, es uns gleich zu tun und eine Bosporusfahrt zu machen. Später lese ich in Orhan Pamuks Istanbul- Roman, der Bosporus habe eine Seele. Stimmt genau!

Zurück in Eminönü gönne ich mir erstmal ein Makrelendöner, wir laufen an der Promenade entlang Richtung Kumkapi. Dort streifen wir nochmal durch die kleinen Strassen, die Läden und Geschäfte. Karin versorgt sich bei einem Bäcker mit dem geliebten klebrig- süßen Gebäck als Mitbringsel für zuhause.

Dienstag, 01.05.07: Erst mittags müssen wir am Airport sein, also noch genug Zeit, noch einmal die Bilder Sultanahmets auf uns wirken zu lassen. Wir sitzen auf den Parkbänken vor der Blauen Moschee und der Hagia Sophia und geniessen einfach nur die Sonne und die Eindrücke und Empfindungen, die wir in unseren Herzen mit nach Hause nehmen werden. Ich träume meinen ganz persönlichen Istanbuler Traum.

Istanbul ist eine wunderschöne und aufregende Großstadt - und ganz bestimmt auch ein baldiges Wiedersehen wert.

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Zum Schluß noch meine Reiseführer- Empfehlungen: (ein Klick auf den Buchtitel führt Euch zur Direktbestellung bei amazon.de)

Die Reiseführer aus der Vis-A-Vis-Reihe von Dorling Kindersley sind für mich immer wieder erste Wahl. Auch der Istanbul- Band hat mich überzeugt. Die für diese Reihe typische Detailliebe, die aufwändigen 3-D-Darstellungen, Karten, Bilder, Zeichnungen und Erklärungen begeistern mich immer wieder. Die ca. 272 Seiten des Vis-A-Vis- Reiseführers glänzen auch mit vielen Tipps und Hinweisen für den Istanbul- Aufenthalt, ein wirklich guter Tagesbegleiter für jeden Besucher. Der Vis-A-Vis ist mein Favorit.

Auch das Dumont "Reise-Taschenbuch Istanbul" ist mit seinen 240 Seiten in jeder Hinsicht empfehlenswert. Sehr informative textliche Darstellung zu allem Wissenswerten, ergänzt um Spezial- Themen wie "Kemal Atatürk- Vater der modernen Türkei", "Frauenrolle im Wandel" oder Abenteuer Bazar" liefern qualifizierte Hintergrundinformationen. Der Kartenteil des Dumont ist sogar noch besser als der des Vis-A-Vis.

Vielleicht ein Geheimtipp ist der Istanbul- Band aus der MM-City- Reihe vom Michael Müller Verlag. Kein Reiseführer ist erfrischender geschrieben. Zudem überzeugt der Band durch seine Informationen und Stadtteil- Karten, die eine gute Orientierung bieten. Auf 12 Spaziergängen präsentieren die Autoren die Stadt am Bosporus. Dieser Führer macht einfach Lust auf einen Städtetrip nach Istanbul.

Ja und dann habe ich da noch eine Roman- Empfehlung: Der Literatur- Nobelpreis ging in 2006 an den türkischen Literaten Orhan Pamuk. Von ihm stammt der wunderbare autobiographische Roman "Istanbul - Erinnerungen an eine Stadt". Hierin schildert Pamuk die Entwicklung der Millionenstadt im Laufe des letzten Jahrhunderts, ihren Verfall und das melancholische Lebensgefühl ihrer Einwohner. Dieses Buch ist eine ganz persönliche Sicht des Autors auf seine geliebte Heimatstadt und eine schöne Lektüre im Anschluß an einen Istanbul- Besuch.