Aufbruch in Havanna: Es geht entlang der Atlantikküste ostwärts, vorbei an Fabriken und Raffinerien. Franlyt testet unsere bisherige Aufmerksamkeit: "Wie heißen die Kanonen vor dem Stadtmuseum in Havanna?" Die richtige Antwort ("englische Kanonen") wird kommentiert mit "Meine Familie -also wir- ist sehr intelligent!". Franlyt möchte, daß wir - zurück in Deutschland - möglichst viel an Wissen über Cuba vermitteln können, sozusagen als Sonderbotschafter Cubas... Deshalb hämmert er uns auch immer wieder ein, wie die Pflastersteine (!) hier heißen. Ich habs dennoch vergessen.

Auf dem Weg nach Varadero liegt über einer palmenbewaldeten Schlucht die höchste Brücke Cubas, wo wir eine Pause einlegen. Am Rastplatz gibt es die besten (natürlich! Franlyt geizt nicht mit Superlativen.) Pína Coladas. Kokosmark und -milch werden mit Ananas, Rum und Eis im Mixer verquirlt. Ein herrlich frischer Cocktail für 2,50$! Franlyt hat nicht übertrieben.

Wenig später erreichen wir den bekannten Badeort Varadero. Über Varadero sagt der Cubaner: "Varadero, no es Cuba!". Der Ort liegt auf einer Halbinsel, die mittels Autobahn- Mautstation vom Rest des Landes abgeriegelt ist. So wird z.B. der unerwünschte Zulauf von Jineteras/os verhindert. Die Touris hier sollen in den Hotelanlagen ungestört ihren all-inclusive-Urlaub verbringen können... Die Zufahrt entlang einer künstlichen Lagune gleicht den Urlaubslandschaften Floridas: Kitschige Südsee- Idylle. Am postkartenblauen Atlantik legen wir eine mehrstündige Badepause ein.

Dann gehts weiter in das nur ca. 30 Minuten entfernt liegende Cárdenas. Es ist die Kutschen- und Fahrräder- Stadt Cubas, wo die Bewohner wg. des ständigen Treibstoffmangels eine erstaunliche Anzahl dieser Gefährte reaktiviert haben. Das ganze Straßenbild wird davon bestimmt. Ein überdimensioniertes Fahrrad steht als Wahrzeichen der Stadt auf einer Verkehrsinsel. Unweit davon übernachten wir heute im spartanischen Gästehaus einer nichtstaatlichen Bürgerinitiative, die ebenfalls von AvenTOURa unterstützt wird. Die Zimmer ähneln eher einer Gefängniszelle als einem Hotel. Jedes ist mit 2 Pritschen aus Stahlrohr ausgerüstet, auf deren Drahtgeflecht eine dünne Schaumstoffmatraze liegt. Man schläft darin wie in einer Hängematte, jedenfalls hängt man so durch. Mir geht durch den Kopf, daß damals Comandante Che Guevara auf diesem Modell auch in der Sierra Maestra übernachtet haben könnte.

Die Kooperative hat ein bescheidenes Büfett als Abendessen vorbereitet. Es gibt Bohnensuppe mit Reis, Rippchen, Pommes, Salat und Kaffee - und es schmeckt vorzüglich. Nach dem Abendessen besuchen wir ein nahes Kulturzentrum, wo wir eine Tanz- und Perkussionsaufführung im afrocubanischen Stil zu sehen bekommen. Angeblich sollen an deren Qualität landesweit nur wenige Gruppen heranreichen. Leider verstehen wir von der Bedeutung der Tänze der Yorúba und Congo rein gar nichts. Es handelt sich aber wohl um archaische Mythen und Bräuche afrikanischer Stämme. Anschließend geht es über zum obligatorischen Verkauf selbstkopierter und -gebrannter Cassetten und CDs, vor deren Qualität uns Franlyt eindringlich warnt. Überhaupt nimmt man gern alles, was ansonsten den Mangel bestimmt, Dollars, Seife, Kugelschreiber, Baseball- Kappen... Einer der Schwarzen bittet mich um eine Zigarette, nimmt dann gleich die halbe Schachtel. Na ja, ich kanns verschmerzen. Wir verlassen angesichts der zunehmenden Bedrängung fast fluchtartig das Kulturzentrum und kehren zum Gästehaus zurück.

Mein Zimmer liegt zur Straßenseite. Keine 5 m neben dem offenen, mit Holzlamellen versehenen Fenster knattern Mopeds, rattern Kutschenräder, klappern Hufe und explodieren Verbrennungsmotoren von defekten Lkws und Bussen. Die Musik von der nahen Kneipe dröhnt herüber, Hähne schreien. Um besser schlafen zu können, besuche ich noch mit einigen Nachtschwärmern die Straßenterasse der nahen Merenderos, einer offenen Cafeteria mit Ausschank. Hier gibt es auch mitten in der Nacht noch local beer (Cristal) und sogar Pizza. Uns fällt auf, daß wir nicht angebettelt werden. Franlyt hatte zuvor gewarnt: "Laßt alles Wertvolle im Gästehaus und nehmt nur wenig Geld mit!" Es gibt aber überhaupt keinen Grund für irgendwelche Ängste. Wir befinden uns in einem ganz normalen Stadtviertel von Cárdenas, das nur selten Touristen sieht. Wir spekulieren darüber, ob solche abschreckenden Warnungen eines Reiseleiters wohl "verordnet" sind und den Kontakt und Meinungsaustausch zwischen Ausländern und Cubanern einschränken sollen. Eine von vielen unbeantworteten Fragen.

Nach dem Frühstück hören wir uns einen Vortrag des PR- Mannes der Kooperative an, der uns deren Arbeitsweise und Aktivitäten erklärt. Danach führt er uns durch die Einrichtungen vor Ort, insbesondere eine kleine Bibliothek und die Lehrküche. Hier lernen Cubanerinnen einzukochen, zu konservieren und bevorraten. Ebenfalls wird hier das Mittagessen für die auf den Feldern arbeitetenden Mitarbeiter gekocht und in "Henkelmänner" abgefüllt. Eine dieser Musterplantagen besichtigen wir anschließend, werden von deren Leiter durch die Felder und Beete geführt, wo ausschließlich für die Bevölkerung angebaut und geerntet wird. Besonders stolz ist man auf ein Sprüh- Bewässerungssystem und eine Biogasanlage. Franlyt erklärt uns ein schmackhaftes Kochrezept seiner Mutter, bei dem Bananen in Maisblätter eingewickelt und gedünstet werden.

Dann beginnt eine längere Busfahrt zum nächsten Zwischenziel, Cienfuegos. Es geht vorbei an Zuckerrohrfeldern, die gerade abgeerntet werden. Franlyt gibt "eine Erklärung". Wir halten an. Arbeiter reichen uns geschnittenes Zuckerrohr zum Kosten. Es schmeckt leicht süßlich, aber noch nicht wie (raffinierter) Zucker. Toni fährt auf den maroden Straßen wie der Teufel mit halsbrecherischen Überholmanövern, eben wie "Schumi" (Franlyt). Ich bitte ihn, etwas langsamer zu fahren, möchte nicht "Cuba Frontal" statt "Cuba Real"erleben. Kurz darauf hält er am Straßenrand: Reifenpanne! In rekordverdächtiger Zeit wechselt er das Rad. Er meint, Schuld daran seien wir, das passiere nur, wenn man zu langsam fahre... Toni haben wir richtig ins Herz geschlossen. Franlyt nennt inzwischen jeden, der auf der Bank hinten im Bus sitzt "Verschwörer". Er meint, das sei der typische Sitzplatz für Verschwörer... Ich gehöre dazu.

Der folgende Zwischenstopp in Cienfuegos, der "Perle des Südens", gerät uns allen viel zu kurz. Aber Franlyt läßt uns nur 40 min für eine Kurzerkundung der Stadtmitte um den Parque José Marti und den Boulevard San Fernando. Eigentlich haben wir gar nichts von dieser schönen Stadt gesehen. Franlyt meint, wir müßten bis zum Abendessen unser Hotel in Trinidad erreichen, sonst bekomme er Ärger. Na dann!

Auf der Küstenstraße kurz vor Trinidad versuchen abertausende von Landkrabben die Straße zu überqueren. Aber weniger als die Hälfte von ihnen schafft es, während die anderen von Autoreifen zermalmt werden. Wir bitten Toni anzuhalten. Dieses Schauspiel wollen wir uns näher ansehen. Geht man auf einen der Krabben zu, flieht sie im Rückwärtsgang. Kommt man ihr zu nahe, richtet sie sich auf und droht fuchtelnd mit ihren Scheren. Die Tiere schillern in allen Rot-, Gelb- und Brauntönen. Es ist eine wirklich große Anzahl.

Franlyt erzählt den "Witz des Tages":

Am Flughafen von Santiago wartet eine Maschine auf den Start. Alle Passagiere sind schon an Bord. Man wartet auf die Piloten. Da betreten 2 Männer mit Sonnenbrillen und Blindenstock das Cockpit. Die Passagiere sind beunruhigt. Chefsteward: "Keine Sorge! Es sind die besten Piloten Cubas." Die Maschine startet. Stewart: "Bitte schauen Sie rechts auf die Startbahnmarkierungen!" Die Anzeigetafeln kommen näher: 300, 200, 100, 50, 30 ... Die Passagiere fangen an zu schreien. In diesem Moment zieht der Pilot die Maschine hoch. "Sehen Sie, liebe Fluggäste, es sind die besten Piloten Cubas. Sie fliegen ausschließlich nach Gehör!"

Schöne Aussichten für unseren bevorstehenden Flug von Santiago nach Havanna! Am Abend erreichen wir Trinidad.