Schon am frühen Morgen sehr hohe Temperatur und Luftfeuchtigkeit. Es geht in gemütlicher Fahrt weiter durch die Sierra Maestra in Richtung Santiago de Cuba, der zweitgrößten Stadt der Insel. Auf dem Weg besuchen wir die landesweit als katholische Pilgerstätte bekannte Basilica El Cobre, deren Schutzpatronin Hemingway seine Nobelpreis- Medaille opferte. Der Papst besuchte die Basilika vor wenigen Jahren und der Santeria- Kult verehrt die Virgen de la Caridad del Cobre (dargestellt von einer Marienfigur als Mulattin) seit langer Zeit als die sinnliche Göttin Ochún.

Am Nachmittag erreichen wir Santiago de Cuba. Wir wohnen in dem luxuriösen Kolonialstil- Hotel Casagranda. Es liegt im Herzen der Innenstadt, direkt am Parque Cespedés. Von der Terrasse läßt sich das Parkgeschehen beobachten. Eine noch bessere Aussicht bietet die hübsch gestaltete Dachterrasse, wo das Frühstück mit Blick über die Dächer der Stadt und die Hafenbucht eingenommen werden kann.

Mit Alex ziehe ich durch die Straßen, zunächst runter zum Hafen. Hier ist aber nichts los. Also wieder zurück. Brütende Hitze! In den Querstraßen gibt es etwas Wind vom Hafen, ansonsten steht die Luft. Wir setzen uns in einen Patio und beobachten die Menschen. Eine dicke alte frocubanerin verkauft Süßigkeiten, die sie in einem riesigen Korb auf dem Kopf trägt. Jineteros am Nebentisch beobachten uns und beraten, ob sie uns eines ihrer Mädchen anbieten sollen. Touristen wie wir sind ihr bevorzugtes Klientel.

Santiago ist nämlich die "jineteras"- Hochburg. Ist man als ausländischer Mann unbegleitet unterwegs, dauert es nur wenige Minuten bis einem von hübschen jungen Cubanerinnen eindeutige Angebote gemacht werden. Üblicherweise machen die Frauen durch Zischlaute auf sich aufmerksam. Es sind Chicas - was eigentlich "attraktive, junge Frau (Mädchen)" bedeutet, im normalen Umgang also ein Kompliment. Die Chicas, die ich meine, sind allerdings professionelle und Gelegenheits- Nutten, die sich Touristen für die Zeit ihres Cubaaufenthalts als Gespielinen anbieten. "Jineteras", Reiterinnen, werden sie genannt. Die Frauen sind meist Mulattinnen. Viele von ihnen suchen einen Ausländer, der sie heiratet und ihnen damit die Ausreise ermöglicht. Zunehmende Prostitution ist eine unerwünschte Folge der Öffnung Cubas und wird deshalb streng polizeilich verfolgt, allerdings ohne durchgreifenden Erfolg - wie wir feststellen. Im Straßenbild sind häufig Männer jenseits der 50 oder 60 zu sehen, die von augenscheinlich minderjährigen Chicas begleitet werden. Diese geilen, alten Säcke widersprechen meinem Moralverständnis total. So einen Typen ("weißer Großvater mit dunkler Enkelin") werden wir später noch kennenlernen.

Die Hitze in Santiago lähmt einen geradezu. Daher ist unser Drang zur weiteren Erkundung der Stadt stark eingeschränkt. Wir relaxen auf den Hotelterassen. Ein heftiger Platzregen bringt nur wenig Erfrischung. Am Abend bewundern wir auf der Dachterasse die hübschen Models einer Modenschau (!).

Eine ausgiebige Stadtbesichtigung folgt am nächsten Tag. Es ist der heißeste unserer Rundreise. Glücklicherweise befinden sich unsere Besichtigungsziele alle im Umkreis von 500 m um das Hotel. Gegenüber liegt die Casa de Diego de Velázquez, das älteste erhaltene Haus Cubas. Hier ist ein Museum kolonialer Möbel und Kunstgegenstände untergebracht. Direkt um die Ecke, in der Calle Heredia, schauen wir in der Casa de la Trova vorbei, einer Kultstätte des gleichnamigen Musikstils. Hier laufen rund um die Uhr Jam- Sessions. Wenig weiter liegt das Museo del Carnaval, in dem Bilder, Kostüme und Gegenstände des hiesigen Karnevals ausgestellt werden, der dem von Rio in nichts nachstehen, aber weniger touristisch geprägt sein soll. Viel versprechen wir uns vom Museo del Ron, das wir für 2 $ Eintritt incl. einem Becher Rum besichtigen. Wie bei allen anderen Museen beschränkt sich die Ausstellung jedoch auf wenige Gegenstände und Bilder. Da sind die kleinen Läden, z.B. ein Antiquariat, mindestens genauso interessant.

Das Museo Emilio Bacardi lassen wir aus. Ende des 19. Jh. war Emilio Bacardi, der Begründer der Rumfabrik "Santiago Caney" Bürgermeister von Santiago. Caney ist nach wie vor der beste Rum Cubas, Bacardi wird jetzt in der DomRep produziert und kommt heute nicht mehr an die Qualität cubanischen Rums heran. Empfehlenswert ist ein Besuch der Kathedrale Nuestra Senora de la Asunciòn mit dem riesigen Engel der Verkündigung zwischen den Kirchtürmen.

Wir fahren mit dem Bus zur Moncada- Kaserne, heute zu einem Teil als Grundschule, zum anderen als Revolutions- Museum genutzt. Dies ist der Ort, auf den sich der erste, mißglückte Angriff der Rebellen unter Fidel Castro am 26.7.1953 richtete. Das Datum ist zum kultischen Begriff geworden: "M-26-7" Der Angriff wurde blutig niedergeschlagen, Fidel verhaftet. Legendär wurde seine Selbstverteidigung in dem folgenden Prozeß: "Die Geschichte wird mich freisprechen". Fidel wurde Anfang 1955 unter dem Druck der Öffentlichkeit aus dem Gefängnis entlassen und außer Landes verbannt. Im Dezember 1956 landete er dann mit Bruder Raúl und "immer  vorwärts bis zum Sieg"Ernesto "Che" Guevara sowie ca. 80 weiteren Gesinnungsgenossen (wegen ihrer Bärte "Barbudos" genannt) wieder in Cuba und befreite das Land von der Diktatur Batistas, der sich mit zig Millionen US-$ nach Santo Domingo absetzte. An der Fassade der Moncada- Kaserne sind die (rekonstruierten) Einschußlöcher der angreifenden Rebellen zu besichtigen...

Den Abschluß bildet ein Besuch des Castillo del Morro, einer Festung, die die Stadt seit dem 17. Jh. vor Piratenangriffen schützte. In dieser labyrinthähnlichen Anlage gibt es für uns in den spärlich beleuchteten Räumen viel zu entdecken. Mitarbeiterinnen geben uns fachkundige Erklärungen (kein Wort verstanden, da in spanisch!) und - sprechen einen, sobald man etwas abseits steht, an, ob man vielleicht "one Dollar please" entbehren könne. Das ist ziemlich nervig.

Cubanische Rhythmen zuhauf gibt es dann am Abend beim Besuch einer Hinterhof- Tanzbar, wo wir zwei Trova- und Salsa- Bands erleben. Die Musik und ein weiß gekleideter Gigolo, der sich als genialer Salsatänzer entpuppt, veranlassen anwesende Holländerinnen zum Abtanzen. Einigen von uns gefällt sein machohaftes Gehabe nicht, ich finde, es paßt total zu dieser Musik und zu diesem Tanz.

Östlich von Santiago de Cuba liegt die ausgedörrte Provinz Guantánamo mit der gleichnamigen US- Marinebasis, auf der die im Afghanistan- Krieg gefangengenommenen Taliban- und El Kaida- Kämpfer inhaftiert sind. Diese Provinz war auch namensgebend für das weltbekannte Lied "Guantanamera" (Mädchen aus Guantanamo), ursprünglich ein Gedicht von José Marti, das zur heimlichen Nationalhymne wurde. Die Son-, Trova- und Salsa- Bands, die wir als Touristen erleben, haben einige Standard- Lieder grundsätzlich im Repertoire: Guantanamera, Hasta Siempre Comandante (Che Guevara), Bésame Mucho und Erico Chachacha. Comandante Che Guevara gehört inzwischen - zumindest der Refrain! - auch zu unserem Repertoire...

Am nächsten Morgen fliegen wir zurück nach Havanna und fahren in die Sierra del Rosario.