Sa, 09.05.2015: Kappadokien - wo liegt das denn?
Kappadokien steht auf meiner persönlichen "bucket list" ziemlich weit oben. Bucket list? Eine To-do-Liste des Reisens! "1,000 Places To See Before You Die"
von Patricia Schultz ist wohl die bekannteste.
Nach einem kurzer Stopp in Istanbul fliege ich über die Weite der anatolischen Landschaft nach Kayseri in Kappadokien. Ich habe eine Studienreise bei Dr. Tigges Reisen gebucht, eine Premiere mit diesem Veranstalter. Hoffentlich kein "buyers' remorse". Ich lass mich immer gerne positiv überraschen.
Ich will mir ein paar Tage Auszeit vom Beruf gönnen - in einem besonderen Hotel in Ürgüp, Provinz Nevsehir in Zentralanatolien. Das Höhlenhotel Kayakapı Premium Caves ist der Ausgangspunkt für die Ausflüge der kommenden Woche. Die Herberge hat bei Tripadvisor (2015 Travellers' Choice) alles abgeräumt, was es an Lob und Auszeichnungen für ein Hotel zu gewinnen gibt. Deshalb checke ich mit hoher Erwartungshaltung ein. Das Kayakapı ("Höhlentor") gehört angeblich zu den besten Hotels der Region.
Die Zimmer und Suiten sind tatsächlich als Höhlen in den Tuffstein des Berges gehauen. Man muss aber keine Befürchtung haben, dass links neben dem eigenen Raum Fred und Wilma Feuerstein und rechts davon die Ehel. Barnie Geröllheimer hausen. Bei denen ging es bestimmt viel, viel schlichter zu. Mein Wohn- und Schlafraum ist sehr komfortabel eingerichtet, mein Bad verfügt sogar über einen eigenen angegliederten Hamam.
Apropos Kayakapı: Das türkische "ı" wird wie ein kurzes e ausgesprochen, wie im englischen "the".
Beim Dinner im Hotel- Restaurant lerne ich die anderen Reiseteilnehmer kennen, zwei gut situierte Rentner- Ehepaare um die 70. Bin ich das 5. Rad am Wagen? Ich werde es erleben. Es ist sehr ungewöhnlich, dass Veranstalter bei einer so kleinen Gruppengröße die Reise durchführen. Aber die Rechnung scheint in unserem Fall für Dr. Tigges immer noch aufzugehen.
So, 10.05.2015: Erste Höhepunkte ─ Taubental, Uchisar, Göreme, Zelve
Unser Reiseleiter für die nächste Woche ist der in Deutschland aufgewachsene und in der Türkei studierte Germanist Mustafa Örter. Mustafa und unser Fahrer Jos warten nach dem Frühstück mit einem Kleinbus auf uns. Der Hotel- Parkplatz befindet sich wesentlich höher am Hang als die abschüssig davon liegenden Gebäude. Deshalb hat das Hotel einen Shuttle- Service mit Elektrocarts eingerichtet. Anruf genügt und ein freundlicher Angestellter steht mit dem Minitransporter vor der Tür. Sehr praktisch auch für den Gepäcktransport.
Am Ortsrand von Ürgüp liegt das erste Natur- Highlight, die berühmten Drei Grazien, das Wahrzeichen der Stadt. Die drei Tuffsteinsäulen weisen eine besonders prägnante Pilzform auf. Obenauf liegt jeweils ein "Hut" aus härterer und damit beständigerer Basaltlava. Von diesen Formationen werden wir noch viele sehen.
Weiter gehts Richtung Uchisar zum Taubental (Güverçin Vadisi). An einem Baum hängen "Augen" gegen den Bösen Blick, ein Brauch, der noch aus vorchristlicher Zeit stammt und in Zusammenhang steht mit der Medusa aus der griechischen Mythologie, deren Blick jeden, den er traf, in Stein verwandelte. In den Tuff geschlagene Taubenschläge sind im Taubental allgegenwärtig. Der Taubenkot ist ein wertvoller Dünger für den Weinanbau. Eine Besonderheit der Tauben von Uçhisar soll sein, dass sie plötzlich und ohne erkennbaren Anlass während des Flugs Loopings ausführen. Wir haben das aber nicht gesehen.
Einen fantastischen Blick über die vulkanische Landschaft und deren verwunschene Tuffsteingebilde hat man vom 60 m hohen Burgberg von Uchisar. Er ist von zahlreichen unterirdischen Gängen und Räumen durchzogen, die heute größtenteils zugeschüttet oder unpassierbar sind. Ursprünglich lebten im Burgfelsen etwa 1000 Menschen, heute ist er unbewohnt, aber eine Touristenattraktion ersten Ranges.
Natürlich wird hier alles verkauft, was das Touristenherz vermeintlich begehrt..
Mustafa erzählt uns von der wechselvollen Vergangenheit der Region und der Geschichte der Tuffsteinhöhlen, die Kappadokien prägen. Hethiter, Perser, Griechen, Römer und Byzantiner haben in den Höhlen gelebt und sie immer wieder umfunktioniert. Mal dienten sie als Klöster und Fluchtburgen, dann wieder als Weinkeller oder Kartoffellager, als Viehställe und als Vogelschläge.
Man könnte meinen, dass der katalanische Architekt Gaudí das alles gebaut hätte und auch Friedensreich Hundertwasser an der Erschaffung dieser traumhaften Formationen beteiligt gewesen wäre. Aber es war ausschließlich Mother Nature - tausende von Kegeln, Pilzen, Kaminen, Türmchen, Waben, Wellen und blattähnlichen Strukturen, wohin man auch schaut.
Annähernd ähnlich aussehende Felsnadeln kenne ich nur vom Bryce Canyon- Nationalpark in Utah, USA. Die dortigen Hoodoos bestehen aus Sandstein, die in Göreme sind aus weichem Tuffstein vulkanischen Ursprungs. Irgendein romantischer Geist nannte sie einst "Feenkamine". Die Tuffsteinnadeln haben ganz unterschiedliche Formen und Farben, es gibt braune, beige und gelbe, rötliche und ockerfarbene, gewaschen glatte oder steinern strukturierte, krumme oder gerade, manche sogar als konische Tonnen.Die Tuffsteinlandschaft ist vorwiegend durch die Ausbrüche des fast 4.000 m hohen Vulkanberges Erciyes nahe bei Kaysari entstanden. Hitze und Hochwasser, Regen, Sturm und Eiseskälte haben Jahrmillionen bis heute daran modelliert.
Die Menschen haben seit Jahrtausenden den Tuffstein bearbeitet. Sie kratzten Höhlen hinein, in denen sie dann wohnten und Schutz suchten. An manchen Stellen finden sich sogar mehrere Stockwerke über- und untereinander, verbunden mit schmalen Treppen und Gängen. Selbst in Städten wie Ürgüp oder Uçhisar durchlöchern ganze Siedlungen die Hügel und Berge.
Unser nächstes Ziel, das Tal von Göreme, beinhaltet eine einzigartige Ansammlung frühchristlicher Felsenkirchen mit eindrucksvollen Fresken. Seit 1985 ist das Freilichtmuseum UNESCO-Welterbe. Hunderte von Kirchen wurden in Kappadokien einst in den Tuffstein gegraben. Einige von ihnen, die meisten kaum größer als Kapellen, können wir hier besichtigen. Sie tragen Namen wie Apfelkirche, Barbarakirche, Schlangenkirche und Schnallenkirche. Die Besucher dürfen immer nur kurz in den Gewölben verweilen, weil ihr Atem die kostbaren Fresken gefährdet. Filmen und Fotografieren ist untersagt.
Im Anschluss an die Besichtigung der Höhlenkirchen von Göreme probieren wir mittags mit Käse und Spinat gefüllte dünne Fladen aus Yufka-Teig, genannt Gözleme - eine Spezialität der anatolischen Küche.
Es geht weiter ins Tal von Zelve mit seinen Wohnhöhlen und in den Stein gebauten byzantinischen Kapellen. Der Tuffsteinfelsen ist durchlöchert wie ein Schweizer Käse. Die Eindrücke wiederholen sich.
In neuerer Zeit hat man sogar eine Polizeistation in den Tuffstein an der Straße gegraben.
Ürgüp, Göreme - ohne die landschaftlichen Besonderheiten der Tufflandschaft und die Entdeckung der Höhlen als Weltkulturerbe waren und wären es bis heute anatolische Ziegenkäffer, die kein Mensch kennen würde, der weiter als 10 km entfernt lebt. Aber vergleichbares gilt ja für viele sehenswerte Orte der Welt.
Zurück im Hotel. Das Kayakapı bietet einen Spa- Bereich, u.a. mit Hamam und Ottoman Massage. Eine Anwendung kostet 100 € für 50 min. Da ich kein Hamam- Fan bin, komme ich nicht in Versuchung. Aber ein Herr aus unserer kleinen Reisegruppe probiert es aus. Er meint, das Preis- /Leistungsverhältnis stimme nicht im geringsten, und ist enttäuscht.
Eine der beiden Frauen aus der Gruppe redet fast ununterbrochen und unterbricht jeden, der es wagt, ebenfalls einen Redebeitrag zu leisten. Auch in eine laufende Unterhaltung mischt sie sich gnadenlos ein. Sie meint, zu allem ihren Sermon dazugeben und auch andere berichtigen zu müssen. Irgendwie muss ich an Dieter Nuhrs legendäre Worte denken "Wenn man keine Ahnung hat, einfach mal F..... halten!" Zudem erzählt die Dame nur in Superlativen von ihrem persönlichen Umfeld und ihren Reiseerfahrungen: unser Haus, unsere Freunde, unser letzter Urlaub, mein Lieblingsrestaurant, mein Ego. Okay ich werde die Woche überstehen, aber es ist schon extrem anstrengend für mich, Frau "Vielred" zumindest bei den gemeinsamen Mahlzeiten nicht aus dem Weg gehen zu können. Ihr Mann hat offenbar eine eigene Art gefunden, damit umzugehen. Das andere Paar bzw. die andere mitreisende Dame ist glücklicherweise sehr angenehm - weil unaufdringlich. Sie und ihr Mann, ein sympathischer Hobby- Ornithologen, haben für mich die Woche in Kappadokien gerettet. Das ist die Gefahr bei Minigruppenreisen: Der Kreis in Frage kommender Gleichgesinnter verkleinert sich dramatisch.
Mo, 11.05.2015: die unterirdische Stadt Kaymakli und Ihlara, der "Grand Canyon" der Türkei
In Kaymakli gehen wir unter die Erde. Acht Stockwerke und bis zu 60 Meter tief ist die unterirdische Stadt, die schon den frühen christlichen Gemeinden Zuflucht vor dem damals noch heidnischen Rom bot, und bis in das 19. Jahrhundert von den Landwirten der Region genutzt wurde.
Wir erkunden die Räume der ersten beiden Etagen. Das ausgeklügelte Belüftungssystem sorgt bis heute für eine gute Sauerstoffversorgung der Höhlengänger. Mustafa meint, die Räume der unteren Etagen würden auch nicht anders aussehen, ihre Begehung würde aber immer beschwerlicher. Auf einigen Streckenabschnitten müsse man sogar auf allen Vieren kriechen und es gäbe kein Zurück auf halber Strecke. Mir reicht es, die Gänge und Treppen der ersten beiden Untergeschosse nur mit gekrümmtem Rücken und eingezogenem Kopf passieren zu können. Die Menschen waren damals um einiges kleiner als heute. Ein komplexes System von Tunneln und Räumen führt weiter abwärts. Mustafas Rückzugs- Vorschlag wird von allen gerne angenommen.
Neun Kilometer weiter befindet sich eine weitere unterirdischen Stadt, Derinkuyu. Man erzählt, dass es in antiker Zeit zwischen beiden Städten einen Verbindungstunnel gegeben haben soll. Nachweise fehlen aber bis heute, so dass der Tunnel wohl eher im Reich der Legenden anzusiedeln ist..
Das Tal von Ihlara ist 14 Kilometer lang und bis zu 150 Meter tief. Vorgeschichtliches Gewässer hat es in den weichen Stein gegraben. Wir gehen die 250 Stufen hinunter zum Grund der Schlucht. Bei einer kleinen Wanderung erkunden wir die Landschaft und stoßen wieder auf
versteckte Höhlenkirchen mit mittelalterlichen byzantinischen
Malereien. Am Ende der 3,5 (türkischen) km langen Wanderung - uns kommt es doppelt so lang vor - machen wir Rast in einem Ausflugslokal,
dessen Besonderheit außer den über dem Gebirgsbach
gebauten Liegepodesten die Forellen aus dem Tonofen sind. Die habe ich
allerdings schon geschmackvoller zubereitet genossen. Ich mag sie
lieber gegriillt oder gebraten.
Für heute abend bietet uns Mustafa an, eine Tanzvorführung der Derwische des Mevlana- Ordens in einer nahegelegenen antiken Karawanserei zu besuchen. Mustafa unterstreicht, es handele sich keineswegs um eine folkloristische Vorführung, sondern um eine religiöse Zeremonie. Da ich diese Art religiöser Selbstversenkung im islamischen Sufismus bisher noch nicht miterleben durfte, zahle ich den "Eintritt" von 25 €.
Rund um einen quadratischen Tanzboden, an dessen einer Seite sich ein verehrter "roter Pelz" befindet und auf dem Musiker und Tänzer die 7- teilige Semá- Zeremonie vollziehen, sitzen hier Zuschauer. Die Derwische drehen sich so lange im Tanz um ihre eigene Achse bis sie in ihrer Trance Gott nahe kommen. "Dort, wo wir eintauchen, gibt es keinen Körper und keinen Verstand mehr", beschreibt ein Ordensbruder die spirituelle Sema- Zeremonie. Erst zum Ende der ca. einstündigen Aufführung darf gefilmt oder fotografiert werden. Ich frage Mustafa, warum gläubige Sufis ihre Gebetssitten einem zahlenden Touristenpublikum präsentieren. Ich hätte den Eindruck, sie würden so ihren Glauben verkaufen. Er scheint mich nicht zu verstehen und sagt, damit finanziere man den Erhalt der historischen Karawanserei.
Di, 12.05.2015: Hattuscha ─ Hauptstadt der Hethiter
Eine vergleichsweise lange Fahrt durch Zentralanatolien liegt vor uns auf unserem Weg nach Hattuscha, der legendären Hauptstadt des Hethiterreiches. Zwischen Assyrern im Osten und Ägyptern im Süden herrschte Hattuscha im zweiten Jahrtausend v. Chr. über ein Reich, das einen guten Teil Kleinasiens und Syriens umfasste, Troja als Vasall hatte und Babylon eroberte.
Zunächst besuchen wir die hethitischen Gottheiten im Felsenheiligtum Yazilikaya. Mehr als 60 Götter zieren die zum Teil noch gut erhaltenen Reliefs an den Wänden der beiden nach oben offenen Felskammern.
Die ausgegrabenen und restaurierten Überreste von Hattuscha sind heute als archäologisches Freilichtmuseum zugänglich, das 1986 als Weltkulturerbe der UNESCO eingetragen wurde. Wir besuchen die großflächige Anlage indem wir mit unserem Kleinbus von Ruine zu Ruine fahren und dort jeweils aussteigen um sie zu besichtigen.
Leider hat man alle Fundstücke der Ausgrabungen nach Ankara verbracht - aus Sicherheitsgründen, wie es heißt. Lediglich die Repliken der Statuen an den Toren der Stadt lassen einen Eindruck erahnen. Ich meine, hier an ihrem Fundort gäbe es eine größere Berechtigung für eine permanente Ausstellung der Fundstücke. Aber so ist es ja mit vielen Ausgrabungsfunden. Sie wurden aus unterschiedlichsten Gründen in alle Welt verbracht. Dazu gehörte hier in Hattuscha auch eine der Statuen vom Sphinxtor. Sie wurde durch Feuereinwirkung sehr stark beschädigt und in Berlin restauriert. Anschließend stritt man sich über die Rückgabe. Erst als die Türken damit drohten, allen deutschen Archäologen die Grabungslizenzen im Lande zu entziehen, ging die Sphinxstatue 2011 zurück nach Ankara.
Einen Mittagsimbiss nehmen wir heute in einer Autobahn- Raststätte. Aber das Essen ist nicht schlecht. Ich wähle eine vegetarische Menü- Variante und bin im Land der Gemüseküchen gut bedient.
Ich stelle mir die Frage, ob das Gesehene in Hattuscha 8 Stunden Hin- und Rückfahrt über teils holprige Strassen wert sind.
Wie bereits gesagt, habe ich einfach die Fundstücke der Ausgrabungen vermisst. Zu sehen gibt es dort nur tote Steine, Fundamente und teilrestaurierte Stadttorreste mit Repliken von Statuen. Wie sahen die Hethiter aus, wie haben sie gelebt 1.000 Jahre bevor man in Europa die erste Stadt gründete? Wer waren ihre Herrscher? Wie waren ihre Streitkräfte bewaffnet? Viele offene Fragen... Die Türkei vergibt hier die einmalige Chance, eine permanente Ausstellung über die Hethiter zu installieren, die diesem Weltkulturerbe adäquat wäre.
Heute abend wird uns im Hotelrestaurant eine türkische Spezialität serviert, wahlweise ein Rinder- oder Lammfleischschmorgericht aus dem Tontopf. Der Deckel ist versiegelt und muss mit einem Küchenbeil abgeschlagen werden. Ich melde mich als Freiwilliger. Der erste Schlag muss sitzen, sonst gibt es Scherbeneintopf und der arme Kellner, der den Tontopf hält, hat mindestens blaue Finger. Es gelingt! In türkischen Privathaushalten geht man bestimmt nicht so verschwenderisch mit dem Geschirr um. Das Fleisch ist butterzart.
Mi, 13.05.2015: Kayseri ─ das alte Caesarea
Von kappadokischen Königen gegründet, von Rom erobert, von frühchristlichen Bischöfen ausgebaut, Residenzstadt der Seldschuken und Osmanen: Kayseri hält uns den Spiegel der kappadokischen Geschichte vor. Christen gab es hier schon ganz früh. Im Neuen Testament nennt die Apostelgeschichte als Zeugen des Pfingstgeschehens auch Kappadokier. Der Apostel Paulus soll eine der Gemeinden selbst gegründet haben. Das antike Caesarea, die heutige Großstadt Kayseri, gilt als einer der ersten Bischofssitze. Wir schlendern entspannt durch das seldschukische Zentrum der modernen Stadt, vorbei an Marktplätzen, Basaren und Moscheen.
Nach dem, was uns Mustafa zeigt, könnte man meinen, die
heutige Millionenstadt Kayseri biete an kulturhistorischen Bauwerken
nur die langweilige alte Stadtmauer, die alte Zitadelle, 2
alte Moscheen und einige Medresen. Daneben gibt es den großen mit
Kuppelgängen überdachten Basar, wo man heute leider nicht
mehr die ehemals traditionellen Handwerker bestaunen kann. Ihren Platz
haben Textil- und Schmuckhändler sowie Händler für Waren
des alltäglichen Lebens eingenommen. Der Basar ist nicht
touristisch geprägt, hier kaufen die Einheimischen ein. Leider reicht
unsere Zeit nicht für einen Besuch des antiken Basars im Vezir
Hane, der ältesten Karawanserei der Stadt. Hier sieht es etwas
heruntergekommen aus, dafür beherbergt dieser Basarteil noch einige wenige alte
Handwerker, wie die Mützenmacher und die berühmten
Teppichhändler Kayseris.
Im Basar kaufe ich wie zuletzt in Istanbul Tarhana. Ich liebe es. Manche sagen, es
sei die älteste "Tütensuppe" der Welt. Tarhana ist ein Mischung
aus getrocknetem Joghurt, Mehl, Tomate, Paprika und div.
türkischen Gewürzen, die wie ein Instant-Pulver mit Wasser
aufgekocht wird und eine schmackhafte Suppe ergibt. Damals gab man es
den Karawanen mit. Frau Vielred bietet mir an, die 500 g- Packung in
ihren Day-Pack zu nehmen damit ich sie nicht die ganze Zeit
herumschleppen muss - ein Angebot, das ich sehr nett finde und das ich
gerne annehme.
Wir geniessen in der Altstadt unser Lunch im Elmacioglu Iskender, einem Lokal, dessen Eingang und Empfang wie der eines Hotels wirkt. Mit dem Fahrstuhl fährt man in die oberen Stockwerke. Und hier erwartet den Gast in schlichter Atmosphäre sehr gute Essensqualität. Besonders die Gerichte mit dem Pastirma genannten Schinken aus Rinderfilet sind hervorzuheben. Diese Fleischspezialität ist auch auf dem Basar zu erwerben. Sie wird mit einer dicken Paprika-Knoblauch-Paste ummantelt und dann zwei Wochen lang luftgetrocknet. Zum Verzehr wird der Rinderschinken hauchdünn aufgeschnitten. Pur genossen hinterlässt eine Scheibe Pastirma- Schinken einen starken Nachgeschmack, zubereitet als Gericht mit Gemüse, Manti (Teigtäschchen) und Yoghurt und übergossen mit wenig Tomatensauce und flüssiger Butter ist das Gericht wirklich delikat.
Leider wird im Iskender kein Bier oder Wein dazu angeboten, eine Folge der von Erdogans AKP eingeführten Restriktionen - und die AKP hat Kayseri fest in der Hand. Also wähle ich ein Glas Ayran.
Die Vielrednerin und ihr Mann haben an einer Tankstelle eine Literflasche Tischwein gekauft und laden uns andere zum Umtrunk vor dem Abendessen ein. Nett gemeint, aber ich lehne dankend ab. Sicher bin ich als "komischer Kauz" bereits in eine unverrückbaren Schublade gesteckt worden. Das lassen mich zumindest einige Bemerkungen von Herrn und Frau Vielred erahnen. Sei´s drum.
Beim Dinner im Hotel- Restaurant sind heute abend Krankheit und Sterben die Hauptthemen, sonst sind es besuchte Sternerestaurants und Urlaubsorte... Sehr erquickend auf die Dauer.
Do, 14.05.2015: Teppichkunst und Soganli-Tal
Die Teppichknüpferei behauptet in Kappadokien seit Jahrhunderten ihren festen Platz als wichtigstes Handwerk der Region. Mustafa führt uns ins Carpet Weavers Center Ürgüp und weist entrüstet von sich, es handele sich wohl um die übliche "Butterfahrt"- Abzocke von Touristen. Einer der Inhaber des Teppich- Centers informiert uns über Aspekte der Teppichknüpferei, seine Assistentin zeigt uns dann live wie an den Knüpfstühlen ein Teppich gewebt wird, wie ein Teppich in mühsamer Handarbeit entsteht. Sie bezeichnet die "Schauknüpferinnen" nicht als Arbeiterinnen, sondern als Künstlerinnen - besonders diejenigen, die Seidenteppiche knüpfen. Viele von ihnen erwirtschaften mit ihrer Arbeit ein höheres Einkommen als ihre Ehemänner. Solange sie nicht verheiratet sind, sind die Knüpferinnen sogar incl. ihrer Eltern krankenversichert. Teppichkunde ist seit einiger Zeit in der Türkei übrigens ein Studienfach.
Nach den fachkundigen Erläuterungen folgt natürlich die unvermeidliche Vorführung diverser Teppiche aus Wolle, Baumwolle und Seide im Showroom. Auch der obligatorische Tee oder Kaffee wird den potenziellen Kunden serviert. Sobald der Moderator der Präsentation bei einem der Zuschauer Interesse wittert, ist dieser bereits für eine folgende Einzelvorführung in isolierter Atmosphäre vorgemerkt. Wehrt er sich nicht, wird er von einem der Verkäufer in einen abseits gelegenen Raum gebeten, wo ihm weitere Teppiche seines Interesses vorgeführt werden. Fleissige Helfer schleppen Teppich um Teppich herbei und rollen diese aus. Kristallisiert sich ein besonderes Stück heraus, das dem Besucher gefällt, beginnen Verkaufsgespräche, in denen erstmals ein Preis genannt wird. Der erstgenannte Preis ist üblicherweise außerhalb von Gut und Böse und muss mit Desinteresse quittiert werden. Erst nach und nach nähert man sich einem Preis, der von beiden Seiten akzeptiert wird, der aber immer noch ein (sehr) gutes Geschäft für den Teppichverkäufer darstellt. Türkei- Touristen sind meist keine Teppichkenner. So ist der Verkäufer immer im Vorteil.
Nachmittags erreichen wir das abgelegene Soganli-Tal, das vom 9. bis in das 13. Jahrhundert von Mönchen bewohnt war. Sie lebten ein Leben in gottesfürchtiger Meditation und bauten mehr als 100 Kirchen in den Tuffstein. Eine weitere Besonderheit sind die in den Tuff gehauenen Taubenschläge, deren Einfluglöcher man zur besseren Orientierung der Vögel mit weisser Farbe umrandet hat. In teilweise halsbrecherischer Akrobatik räumten die Einwohner in der Vergangenheit den Vogelkot und die Eier aus den Nestern. Beides konnte gewinnbringend verkauft werden. Dann vernachlässigte man das Füttern der Tauben - und deren Exodus begann.
Wir
speisen in einem Gartenlokal im Soganli- Tal. Unter dem blühenden
Apfelbaum gibt es Köfte als Hauptgang. In der Natur schmeckt
es immer am besten, so auch hier. In ganz Kappadokien bekommt man ein
gutes Mehrgangmenü zum Lunch für weniger als 10 €, Getränke extra.
Fr, 15.05.2015: Ballonfahrt, Rotes Tal und Avanos
Heute morgen nehmen meine vier Mitreisenden an einer Ballonfahrt über die Landschaft der Feenkamine teil. Sie werden schon um 4:45 im Hotel abgeholt. Zurück sind sie nach einstündiger Ballonfahrt gegen 9:00.
Die angebotene Ballonfahrt über die faszinierende Landschaft der Feenkamine wird veranstaltet von Royal Balloon - Cappadocia. Das Vergnügen ist allerdings nicht ungefährlich, wie der Zusammenstoß und Absturz zweier Heißluftballons vor gerade mal 2 Jahren unterstreicht. Es hat Tote und Schwerverletzte gegeben - und das nicht zum ersten mal.
Das Bauchgefühl hat mich die bereits gebuchte Ballonfahrt kurz vor Reiseantritt stornieren lassen als ich mitbekam, dass der Veranstalter bis zu 18 (!) Personen in einen Ballonkorb steckt. Ohne mich! In der Hochsaison starten gleichzeitig bis zu 100 Ballons in den Morgenhimmel... Der schiere Wahnsinn. 60 min Ballonfahrt kosten schlappe 150-175 €, 90 min 240 €. Ein stolzer Preis, für den man auch einen Heli- Flug durch den Grand Canyon in den USA buchen kann. Aber man sollte einmal eine Ballonfahrt mitgemacht haben!
Meine Ballonfahrer- Taufe habe ich bereits hinter mir, 2009 in Bagan, Myanmar. Der größte Fauxpas ist es übrigens, zu sagen man sei mit einem Ballon "geflogen".
Die Ballonfahrt beginnt wie überall immer mit dem frühmorgendlichen Abholen der Passagiere von ihren Hotels. Bei Royal Balloon gibt es dann erst einmal ein schnelles Frühstücksbuffet im Hauptquartier. Um diese Zeit haben die meisten aber noch gar keinen Appetit, was dem Veranstalter entgegen kommt. Danach werden die Touristen mit dem Shuttle zu den Startplätzen gebracht. Die Thermik ist frühmorgens am günstigsten für die Ballonfahrt, die Gelegenheit für viele tolle Fotos bietet. Faszinierend ist die Stille des Dahinschwebens, die nur durch das Zischen des Brenners unterbrochen wird.
Nach der Rückkehr meiner Mitreisenden beginnt das heutige Tagesprogramm. Wir wandern gemütlich rund zwei Stunden durch das Rote Tal - ein absolutes Highlight unseres Kappadokienbesuchs. Unser Ziel ist das Dorf Cavusin, wo wir ein wenig ausruhen bei einem Glas Tee und Gözleme in "Ayse und Mustafa`s Restaurant". Auch Cavusin hat natürlich einige reizvolle Höhlenkirchen zu bieten.
Weiter geht es nach Avanos, der Hauptstadt der türkischen Ton- und Keramikwarenherstellung.
Wir besuchen die Tonwarenmanufaktur Guray Müze and Seramik, die künstlerisch gestaltete Teller und Hethitische Ringkrüge herstellt, eine weitere Touristenfalle, aber sehenswert: Die Eigentümer haben hier große Hallen in den Tuffstein bohren lassen, die so gute akustische Qualitäten haben, dass hier auch klassische Konzerte stattfinden können. Am Tage unseres Besuchs soll am Abend eine Hochzeit mit 600 Gästen stattfinden. Um 15:00 hat man mit den erforderlichen Umbauten noch nicht begonnen. Ich frage mich, wie das gehen soll...
Mustafa hat uns auch hier wieder in eine - wenn auch verdeckte - Verkaufsveranstaltung geführt. Das hartneckige Nachfragen des Inhabers, ob ich nicht doch an einem von mir zuvor näher betrachteten Wandteller interessiert sei, hat meinen Verdacht bestätigt.
In Avanos überragt die mächtige Moschee die Ufer des Kizilirmak. Mit 1355 Kilometer ist er der längste innertürkische Strom. Wir queren den hier gut 200 Meter breiten, aber flachen "Roten Fluss" auf einer amüsant wackligen Hängebrücke. Zuvor verteilt Mustafa soeben gekauftes Weißbrot um damit die vielen Gänse am Flussufer zu füttern. Da fällt mir Georg Kreislers böses Lied "Tauben vergiften im Park" ein.
Sa, 16.05.2015: Ürgüp
Heute stehen letzte Einkäufe in Ürgüp auf dem Programm. Mit einem der hoteleigenen Elektrocarts werden wir hinunter ins Tal gebracht. Auch hier wieder das gewohnte Bild, die in den Tuffstein gegrabenen Höhlen und Räume.
Ein letztes mal schnuppern wir anatolische Luft, bestaunen die vielen Gewürze, Nüsse und Trockenfrüchte, die am Straßenrand angeboten werden. Für die Touristen aus Fernost gibt es Miniaturnachbildungen der 3 Grazien in den üblichen Kitschfarben. Wir essen in einem Restaurant, dessen Entrée Sterne vermuten läßt, das aber leider nur eine Küche der unteren Kategorie bietet.
Die gebuchte Rundreise beinhaltet Halbpension, so dass wir jeden
Abend im Hotel- Restaurant speisen. Das Service Personal ist leider
nicht qualifiziert geschult und auch hier ist die Qualität der Küche nur unmerklich
über dem Durchschnitt angesiedelt. Das ist schade bei dem Preis,
den wir bezahlt haben. In letzter Zeit habe ich immer wieder
festgestellt, dass die von hochpreisigen Veranstaltern gebuchten Hotels
zumindest in bezug auf die Küche ihrer Restaurants die selbst
postulierten Qualitätsstandards nicht erfüllen.
Nach einem letzten Abendessen verläuft die gegenseitige Verabschiedung ohne Sentimentalitäten.
Morgen haben wir alle unterschiedliche Abflugzeiten. Ich meine, dass die ursprüngliche beidseitige Abneigung zwischen
Frau Vielred und mir in den letzten Tagen etwas abgenommen hat, zumindest meinerseits. Freunde
fürs Leben sind wir nicht geworden und würden es auch bei
längerer Bekanntschaft wohl nicht werden. Aber wie sagt der
Kölner? Jeder Jeck ist anders! Und das ist auch gut so...
Mustafa und unser Kleinbus- Fahrer Jos haben sich bereits gestern abend verabschiedet und ihr Trinkgeld kassiert. Reiseleiter in der Türkei, beziehen wie in vielen anderen Ländern auch ihr Einkommen aus drei Einkommensquellen, dem Festgehalt von der Agentur oder vom Reiseveranstalter für die jeweilige Reise, dem Trinkgeld der Touristen und einer Umsatzprovision von den angesteuerten Restaurants, Verkaufstempeln und zusätzlichen Veranstaltern (in unserem Fall die Ballonfahrtgesellschaft und die Derwisch- Karawanserei). Leben und leben lassen !.
So, 17.05.2015: Abschied von Kappadokien
Der Rückflug via Istanbul verläuft störungsfrei. Wichtiger Hinweis: Vom Terminal "Domestic Arrivals" bis "International Departures" ist es ein langer Weg! Sie müssen zudem 2 Sicherheitskontrollen und 1 Passkontrolle mit langen Warteschlangen überwinden. Unterschätzen Sie nicht die Zeit, die Sie benötigen um Ihr Abflug- Gate rechtzeitig zu erreichen. Ich habe es auf Hin- und Rückflug nur zum bereits ausgerufenen "Final Boarding Call" geschafft...
Und noch eine Empfehlung für das Parken am Flughafen Frankfurt: Ich habe beste Erfahrungen (Preis- /Leistungsverhältnis, Zuverlässigkeit, Sicherheit) gemacht mit http://www.airport-car-parking.de/
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Das sind meine Reiseliteratur- Empfehlungen:
Speziell zu Kappadokien findet man nur wenige Reiseführer. Hervorzuheben sind
a) "
Kappadokien: Ein Reiseführer durch das Land der Feenkamine und Felsenburgen" von
Susanne Oberheu, Verlag Shaker Media,
b) das MERIAN- Heft " Kappadokien: Das Herz Anatoliens" und
c) " Türkische Riviera - Kappadokien: Reiseführer mit vielen praktischen Tipps" von M- Bussmann und G. Tröger, Verlag Michael Müller.
Mir hat der erstgenannte Reiseführer am besten gefallen. Ihn gibt es auch als Kindle Edition!
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