Zunächst gilt es, sich beim Autofahren an Rechtslenkung und Linksverkehr zu gewöhnen. Andreas hat bereits auf den britischen Inseln ausreichend Erfahrung gesammelt und übernimmt als Erster das Steuer. Wir fahren auf der B6 Richtung Windhoek.

Unser Quartier ist die Pension Moni in Windhoek. Ich bin ziemlich gerädert, weil ich letzte Nacht fast kein Auge zugemacht habe. An Bord eines Flugzeugs kann ich einfach nicht schlafen. Jedesmal nehme ich mir vor, beim nächsten Langstreckenflug das oftmals günstig angebotene Upgrade in die Business-Class anzunehmen. Wenn ich dann entscheiden soll, verzichte ich zugunsten eines höheren Etats im Reiseland. Also darf ich mich nicht beklagen.

Die Hotel- Pension Moni - oder besser "Pänschn Moni", wie die Namibier sagen - ist eine hübsche Unterkunft in der Nähe des Ausspannplatzes. Der Service ist ausgezeichnet, was auch durch mehrere Auszeichnungen unterstrichen wird. Zu denken gibt uns die Absicherung des Hotelgeländes durch Elektrozaun- gekrönte Mauern sowie Videoüberwachung - ein Hauch von Hochsicherheitstrakt. Windhoek soll die höchste Kriminalitätsrate im Land habe. Wir haben uns jedoch während der gesamten Reise immer sicher gefühlt und sind niemals bedroht worden.

Wir beziehen zwei geräumige und komfortable Zimmer und machen uns nach einer kurzen Pause auf den Weg in die City. Nun könnte man meinen, die Hauptstadt Namibias sei eine Metropole, ein Moloch mit Hochhäusern und Straßenschluchten. Weit gefehlt. Ich habe noch nie eine so überschaubare Innenstadt einer Hauptstadt wie die von Windhoek gesehen. Die zentrale Haupteinkaufsstraße ist die ehemalige Kaiser- Wilhelm- Str., die seit der Unabhängigkeit Namibias 1990 Independence Avenue heißt. Hier begegnet man Herero- Frauen in viktorianischer Tracht ebenso wie Jugendlichen mit den gerade angesagten coolen Sonnenbrillen und Farmerfamilien aus der Provinz. Windhoek hat nur ca. 200.000 Einwohner.

Zunächst wollen wir uns mit einem kleinen Imbiss stärken. Im Restaurant Gourmet wähle ich eine kalte Gurken- Knoblauch- Suppe mit Biltong. Dabei handelt es sich um in feine Streifen geschnittenes, getrocknetes Fleisch von Rind, Strauß oder Antilope, das als Snack in Namibia große Beliebtheit genießt. Wir werden noch feststellen, dass es Biltong in sehr unterschiedlichen Qualitäten zu kaufen gibt.

Es ist heiß in Windhoek, 34°C, und die Sonne Afrikas brennt erbarmungslos. Dagegen hilft nur ausreichender Sonnenschutz. In der Luisen- Apotheke lassen wir uns für die Weiterreise ein Moskito- Repellent empfehlen: Tabard- Lotion. Die gesamte sonstige Malaria- Prophylaxe (Malarone) soll sich jedoch als völlig überflüssig erweisen. Wir liegen mit unserem Reisetermin noch vor der Regenzeit und damit ist das Risiko einer Infektion selbst im Norden des Landes unbedeutend minimal. Ich schlucke sicherheitshalber dennoch meine 12 Tabletten, habe aber kein gutes Gefühl dabei. Andreas hat sich für eine Stand-By-Therapie entschieden und wird damit genau richtig liegen - da er sie nicht benötigt.

Um die Independence Ave. herum gruppieren sich auch zahlreiche offizielle Gebäude, davon etwas abseits der Regierungssitz, im Volksmund seit jeher "Tintenpalast" genannt, weil der Verwaltungsaufwand historisch einen hohen Tintenverbrauch zur Folge hatte... Im Owela Museum informieren wir uns über die Naturgeschichte Namibias und seine Völker. Hier wird uns wieder in Erinnerung gerufen, dass Afrika einstmals zum Superkontinent Gondwana gehörte. Der Eintritt ist frei, eine Spende wird aber gern gesehen.

Die Independence Ave. endet am "Ausspannplatz". In deutscher Kolonialzeit wurden hier nach beschwerlicher Fahrt von den Außenbezirken die Zug- Ochsen der Siedlerwagen ausgespannt. Der für Afrika mehr als ungewöhnliche Name für diesen Platz ist bis heute erhalten geblieben. Wir versorgen uns hier mit Bargeld am ATM. Der Kurs beträgt zur Zeit unseres Besuchs ca. 1 EUR = 9,6 N$. Das Preisgefüge für den europäischen Reisenden ist günstig. So kosten im Restaurant 0,5 l Bier ca. 8 N$, eine sehr gute Flasche südafrikan. Weines ca. 170 N$.

Dabei muss man bedenken, dass der Durchschnittsverdienst eines (farbigen) Namibiers auf dem Land bei ca 700 N$ (plus Kost und Logis) und in der Stadt bei ca. 1250 N$ liegt! Im demokratischen Namibia ist das soziale Gefälle groß, es vollzieht sich aber nicht mehr nur zwischen weiß und schwarz, sondern zunehmend auch zwischen einer schwarzen Oberschicht - darunter die priviligierten Mitglieder der regierenden SWAPO- Partei - und ihren armen Landsleuten. Zudem gibt es eine abgestufte soziale Hierarchie der verschiedenen Stämme in Namibia. Not und Elend haben wir nicht gesehen. Das war aber eher Zufall und lag vielleicht an unserer Reiseroute, denn nirgendwo auf der Welt soll die Kluft zwischen Armen und Reichen so groß sein wie in Namibia. Ein großes Problem ist zudem die höchste Aidsrate der Welt. Jeder fünfte der 1,8 Mio Namibier soll HIV- positiv sein. Die Versorgung und Erziehung der zunehmenden Anzahl von Waisen und Halbwaisen, deren Eltern bereits an Aids verstorben sind, stellt den Staat vor ein nahezu unlösbares Problem. Hier ist eine verstärkte externe Unterstützung der zahlreichen weltweiten Hilfsorganisationen dringend erforderlich. Experten meinen, die Aids-Prävention müsse zwingend einhergehen mit der Armutsbekämpfung, da Armut und Aids hier ganz eng zusammengehören. Die Armen von Windhoek leben in Katutura, einer Township draußen vor der Stadt. Die Mieten in der Hauptstadt sind für sie unbezahlbar, Wasser und Strom sind für diese Menschen keine alltägliche Selbstverständlichkeit.

Am Abend schlendern wir die menschenleere Feldstreet zur Maerua Mall hoch. Dort treffen sich viele Jugendliche der städtischen Mittelschicht. In einer großen Pizzeria, in der die Schnelligkeit der Bedienung beeindruckt und zugleich auch wieder stört, essen wir zu abend.

Tag 2: Heute beginnt unsere Rundreise. Wir fahren auf der B1 nach Rehoboth, der Stadt der (tatsächlich so genannten) Baster. Es sind die Nachfahren von eingewanderter Buren und Nama- Frauen, die hier voller Stolz über ihre Identität unter Führung eines Kapteins ein eigenständiges Gemeinwesen gegründet haben und dieses lange Zeit autonom regierten. Der Ort selbst ist eher staubig und unspektakulär, so wie auch die Umgebung aus monotonem "Veld" besteht. Das ist der afrikaanse Begriff für Buschland. Wir versorgen uns in einem Supermarkt mit ausreichenden Wasservorräten und passieren auf der Weiterfahrt Richtung Mariental den "Tropic of Capricorn", den Wendekreis des Steinbocks. Ein Straßenschild kennzeichnet die Stelle, ab der die Sonne im Dez./Jan. tagsüber nicht mehr über den nördlichen Horizont, sondern im Süden läuft.

Nach einer Fahrt über rote Sandpiste erreichen wir unser heutiges Quartier, die Kalahari Anib Lodge. Dort werden wir am frühen Nachmittag mit pinkfarbenem Guaven- Fruchtsaft begrüßt und erhalten jeder ein geräumiges Doppelzimmer. Erstmals machen wir Bekanntschaft mit einem Moskitonetz über dem Bett, das man noch vor der Dunkelheit herunterlassen sollte. Die Lodge liegt am Rande der Kalahari, einer Halbwüste aus rotem Sand mit spärlicher Vegetation. Auf dem Gelände der Lodge gibt es einen Pool, an dessen Rand unmittelbar die Wüste beginnt. Das ist wirklich ein einmaliger Eindruck und wahrer Luxus.

Wir nehmen an einer "Sundowner"- Tour durch den Gondwana- Kalahari- Park teil. Mit umgebauten Landrovern, auf deren Pritschen je drei Sitzbänke montiert wurden, geht es auf "Game- Drive" in die Kalahari. Der Fahrer fährt mit dem allradgetriebenen Rover äußerst rücksichtsvoll über die rauhe Piste. Alle paar hundert Meter stoppt er damit der mitfahrende Guide uns Fauna und Flora der Wüste erklären kann. Das macht dieser auf humorvolle und kurzweilige Art. Wir hören, dass Termitenhügel häufig auch von Schlangen bevölkert werden, weshalb man sich ihnen nur mit Vorsicht nähern sollte. Ein weiterer Feind der Termiten seien Aardfarks, Erdferkel, die die Hügel geschickt angraben. In den Bäumen sieht man vielfach große bis sehr große Vogelnester aus Grashalmen. Es handelt sich um die Nistplätze von Webervögeln, die aus Sicherheitsgründen (ebenfalls wg. der Schlangen!) in dieser Höhe und mit mehreren Ausgängen versehen angelegt werden. Die Nester erreichen manchmal Dimensionen, die die Äste zum Brechen bringen.

Auch den größten fliegenden Vogel Namibias, die Riesentrappe, sehen wir hier erstmals. Von dem größten nichtfliegenden Vogel, dem Strauß (engl. Ostrich), erfahren wir, dass die männlichen Vögel ein schwarzes Gefieder haben, während die Weibchen bräunliche Federn haben. Sie teilen sich die Brutarbeit, der Hahn ist für das Nachtbrüten zuständig, die Henne tagsüber. Durch ihre unterschiedlichen Gefiederfarben sind sie so optimal getarnt. Nachdem wir im weiteren Verlauf der Fahrt viele Antilopenarten sehen, vor allem Oryx, Kudus und Springböcke, wird der ultimative Sundowner- Stopp eingelegt.

"Everything is possible in the Kalahari" meint Josua, unser Guide vom Stamm der Damara. Dieser Spruch wird im weiteren Verlauf der Reise zum geflügelten Wort.

Die beiden Jeeps haben alle möglichen Alkoholika und Softdrinks an Bord. Mitten in der Wüste wird eine provisorische Bartheke aufgebaut und - der Sundowner kredenzt. Na dann Prost - oder in der Damara- Sprache "Ouveruke"! Dabei fast unbemerkt erleben wir unseren ersten spektakulären, typisch afrikanischen Sonnenuntergang.

Zurück in der Lodge gibt es zum Dinner Oryx a la Stroganoff und einen sehr guten süfafrikanischen Cabernet Sauvignon. Das Management erklärt die Abfolge der Speisen in Englisch, Deutsch und Ovambo. Unsere hübsche Serviererin kokettiert mit einem Skorpion- Tattoo auf dem rechten Schulterblatt.

-> weiter zu Teil 2: Namibwüste und Sossusvlei