Tag 6: Wir verlassen die Landschaft der Naukluftberge Richtung Atlantikküste.
Zunächst geht es nach Walvis Bay. Auf dem Weg dorthin passieren
wir die Kuiseb- Berge. In der menschenfeindlichen Gegend des Kuiseb-
Canyons verbarg sich im II. Weltkrieg der Geologe Henno Martin, Autor
des Buches Wenn es Krieg gibt, gehen wir in die Wüste, mit
seinem Gefährten vor der Internierung. Etwas weiter entfernt liegt der Vogelfederberg. Wie bei allen anderen Natursehenswürdgkeiten
braucht man ein kostenpflichtiges Permit für die Besichtigung.
Das haben wir nicht und fahren deshalb einmal illegal kostenfrei um
den vom Wind glattgeschliffenen großen Felsen, der gern von Campern
als Übernachtungsziel aufgesucht wird.
Walvis
Bay ist eine Reißbrett- Industriestadt, langweilig und gesichtslos.
Die Stadt würde sich lediglich auf ihre Funktion als Versorgungsbasis reduzieren, wenn
da nicht die Lagune wäre. Flamingos, Pelikane, Kormorane, Seeschwalben
und Zugvögel zu abertausenden machen Zwischenstation in diesem
Vogelparadies.
Ich verbinde ein ganz besonderes Erlebnis mit Walvis Bay: Wir haben in der Mola Mola- Bar ein Bier getrunken und sind dann zur Lagune gefahren, Seevögel fotografieren. Dabei stelle ich fest, dass ich die gesamte Fotoausrüstung im Cafe vergessen habe. Also in einer Hetzjagd zurück und - alles an seinem Ort vorgefunden. Keine Selbstverständlichkeit! Große Erleichterung.
Weiter gehts durch eine endlose Sand- und Dünenlandschaft die Küste entlang nordwärts. Wir fahren mit Licht und das hat seinen Grund. Der hier herrschende heftige Wind bläst wahre Sandstürme über die Landschaft. Im Radio haben wir den lokalen Sender eingestellt. Rudi Carell singt "Wann wirds mal wieder richtig Sommer...". Kein Scherz!
Swakopmund,
Namibias beliebtester Urlaubsort, ist unser Ziel. Wir checken ein in
der sehr gemütlichen Pension
Rapmund, wo wir - natürlich - deutschsprachig begrüßt
werden. Swakopmund ist deutsch. Hier haben fast alle Straßen und
Restaurants immer noch deutsche Namen und das Amtsgericht heißt auch noch "Amtsgericht". Es ist Sonntag und wie in einer deutschen
Kleinstadt sind auch hier die Bürgersteige hochgeklappt. Zudem
ist es kühl geworden. So suchen wir nach einem kurzen Rundgang
das Lighthouse Restaurant zum Dinner auf. Ich verspeise einen vorzüglichen
Steenbras, einen an der hiesigen Küste vorkommenden, sehr schmackhaften
Fisch.
Danach suchen wir die einzige geöffnete Bar in der Nähe auf, die des Restaurants Weinmaus. Beim Bier lernen wir Wolfgang kennen. Er kam vor 40 Jahren aus der DDR nach Namibia, blieb zunächst viele Jahre als wohl der einzige Kameramechaniker in Windhoek und lebt jetzt als Rentner in Swakopmund, da er in der Höhenlage der Hauptstadt Herzbeschwerden bekam. Swakopmund ist für viele Weiße ein sehr beliebter Altersruhesitz. Apropos DDR: In den 80er- Jahren wurden ca. 400 kleine Kinder aus dem Bürgerkriegsgebiet im Norden des ehemaligen Südwestafrika nach Ostdeutschland gebracht, wo sie mit ihren dortigen Altersgenossen aufwuchsen. Nach der Wende mußten die Kinder wieder zurück nach Namibia, wo die Konfrontation mit den traditionellen Lebensformen ihrer Familien in den Dörfern zu einem regelrechten Kulturschock geriet. Es brauchte lange bis sich die "DDR-Kinder" wieder zuhause fühlten.
Tag 7: Schon von Deutschland aus haben wir versucht, Mitflieger für einen Cessna- Flug ab Swakopmund über den Fish River- Canyon im Süden des Landes zu finden. Es hat leider nicht geklappt. Zu zweit wäre es zu teuer gewesen. Alternativ verbringen wir den Vormittag erstmal mit Shopping und Ausspannen in dem von deutschstämmigen Namibiern so heiß geliebten Küstenstädtchen.
Später
wollen wir den 50 km langen Welwitschia- Drive in die Namib- Wüste
fahren. Wir kaufen das erforderliche Permit in der Bismarckstrasse, wenige
Meter neben unserer Hotel- Pension. Der naturkundlich außerordentlich
interessante Welwitschia- Drive beginnt mit einem Abschnitt durch die
sogenannte Mondlandschaft, ein Stück Erde, das an Kargheit
kaum zu überbieten ist. Dennoch beeindruckt das rauhe Antlitz der
Natur. Wir laufen durch die Ödnis und entdecken kleine Flechten,
die um ihr Überleben kämpfen. Einige davon wirken auf uns völlig
verdörrt, abgestorben. Als wir einige Tropfen Wasser darüber
träufeln, können wir schon nach wenigen Minuten einen erstaunlichen
Wiederbelebungsprozeß beobachten: Die Flechten gewinnen an Volumen
und werden merklich grüner. Hier liegt die Sensation im Mikrokosmos.
Kleinste Pflänzchen, Steine oder Insekten faszinieren uns in diesem
Nichts an Landschaft. Von Swakopmund aus soll übrigens Living Desert
Adventures, Tel./Fax: 00264/64/40 50 70, eine äußerst interessante
Entdeckungstour zu den kleinen Wüstenbewohnern, den "Small
Five", veranstalten. Das sind Gecko, Eidechse, Spinne, Seitenwinder
und Chamäleon.
Der Welwitschia- Drive
besteht aus insgesamt 13 mit Steintafeln gekennzeichneten Stationen
in der Namib, die spektakulärste liegt natürlich ganz am Ende
der Strecke, das Feld mit den namensgebenden Ur- Planzen. Diese Pflanze
gilt als "lebendes Fossil" und wird über 1000 Jahre alt.
Die Welwitschia ist speziell an die extremen Bedingungen der Namib-
Wüste angepasst. Das einzigartige Naturwunder besteht aus nur 2
Blättern, die das ganze Leben wachsen und im Laufe der Jahre an
den Spitzen vom Wind zerzaust und von Tieren angefressen werden. Die
Welwitschia hat ein sehr tiefes und weit verzweigtes Wurzelwerk, wodurch
sie auf einer sehr großen Fläche die geringe Feuchtigkeit
aus dem Boden aufnehmen kann. Man findet sie nur im mittleren Teil der
Wüste Namib. Es gibt männliche und weibliche Pflanzen.
Die Ranger haben mit Steinen Kreise um die unter Naturschutz stehenden Pflanzen gelegt und Warnschilder mit der Bitte "Do not enter the circles" aufgestellt. Dass diese Bitte - für mich völlig unverständlich - nicht durchgängig beachtet wird, zeigen zahlreiche Fußspuren im Inneren der Kreise. Aber so geht der homo sapiens ja bekanntlich mit der Natur um...
Ganz am Ende der Strecke steht ein absolutes Prachtexemplar. Diese einzelne Welwitschia soll 1500 Jahre alt und damit das älteste Exemplar der Welt sein. Zu ihrem Schutz hat man extra rundum einen hohen Zaun errichtet sowie eine Aussichtsplattform.
Abends in der Pension Rapmund finden wir die am Morgen abgegebene Wäsche wieder sauber zurückgebracht. Der Laundry- Service, den jedes Hotel und jede Lodge preiswert anbietet, ist wirklich empfehlenswert (Ausnahme: Wäsche, die besonderer Pflege bzw. Behandlung bedarf). Man kann auf diese Art und Weise viel Gewicht beim Reisegepäck sparen! An diesem Abend suchen wir die Weinmaus zum Dinner auf. Ich bestelle einen gegrillten Kingklip, der im Geschmack einem Wolfsbarsch ähnlich ist - ein sehr guter Speisefisch.
Tag 8: Heute erwartet
uns etwas ganz Besonderes, ein geführter Rundgang durch die Township
Mondesa. Der Begriff Township ist negativ besetzt mit Kriminalität,
Not und Elend. Er bezeichnet ursprünglich eine südafrikanische
Verwaltungseinheit, die bei der Apartheid eingesetzt wurde. Genau diesen
historischen Hintergrund hat auch die Township von Swakopmund. In der
Zeit der südafrikanischen Besetzung (bis zur Unabhängigkeit
Namibias 1990) wurde die einheimische Bevölkerung säuberlich getrennt nach Landsmannschaften bzw. Stämmen in
den Vorstädten in separaten Wohngebieten angesiedelt. Die größten
Stämme sind die der Ovambos, der Kavanga, Damara und Herero. Daneben
gibt es u.a die der Nama, San, Himba, Caprivianer, die Rehobother Baster
und einige kleinere Stämme.
Im Stefan Loose- Reiseführer haben wir den Hinweis auf die von Township- Bewohnern angebotene Tour gelesen und uns am Vortag angemeldet. Veranstalter ist Hata-Angu Cultural Tours, Tel: (+264) 064-461118. Wir sind in einer kleinen Gruppe mit 3 Australiern und 2 Franzosen unterwegs. Unser Guide heißt Ckastro, ist ein Damara, und gibt uns sehr viele Informationen über das Leben hier.
In Mondesa leben 24.000
Menschen fast ausschließlich dunkler Hautfarbe. Die Arbeitslosenquote
ist hier wie im ganzen Land mit 36 % extrem hoch. Die wenigen Männer
mit Beschäftigung arbeiten meist auf dem Bau, die Frauen in Hotels,
Supermärkten oder privaten Haushalten. Einige Menschen betreiben
in Mondesa kleine Läden, wo sie mit dem Verkauf von Waren aller
Art ihr spärliches Einkommen aufbessern. Die Township wird mit
Frischwasser versorgt, das an öffentlichen "Zapfstellen"
mit einer Chipkarte (100 l Frischwasser für 10 N$) bezogen werden
kann. Strom
gibt es nur für einige wenige Straßenlaternen. Einige Häuser
und Hütten in Mondesa haben benzinbetriebene Generatoren, mit denen
stundenweise Strom erzeugt wird, sogar zum Fernsehen. Die Entsorgung
der Abwässer und Fäkalien erfolgt kostenfrei durch die Gemeinde
über Sammelgruben.
Unser Besuch startet mit
einem Rundgang durch eine typische Straße, in der uns die Bewohner
belustigt und amüsiert ansehen als seien wir Besucher von einem
anderen Stern. Ein kleines Kind beginnt zu weinen. Es verbindet unsere
weiße Hautfarbe mit Schmerzen, die ihm der weiße Arzt bei
einer Impfung mit der Spritze zugefügt hat. Die Mutter beruhigt
es. Andere kleine Kinder wollen spielen und suchen sich jeweils zwei
von uns aus, die sie dann an den Händen festhaltend hochschaukeln
sollen. Sie jauchzen vor Freude. Das unbefangene Spiel der Kinder löst
unsere anfängliche Verkrampfung. Wir sind nicht hier um Elendstourismus
zu betreiben, sondern um auch die Wohn- und Lebensverhältnisse
der armen schwarzen Bevölkerung kennenzulernen und so unser Namibiabild
zu komplettieren. In einem Artcraft- Laden werden selbsthergestellte
Schmuckstücke und Gegenstände angeboten. Hier bemerken wir
auch, dass Ckastro ein begnadeter Gospelsänger ist, denn hier gibt
es CDs mit seinen Songs zu kaufen. Die Australier kaufen eine
Kette. Dann besuchen wir einen Künstler, der mit dem Verkauf selbstbemalter
T-Shirts seinen Lebensunterhalt und den seiner Familie verdient. Viele
Einrichtungsgegenstände in seinem Haus sind aufbereitete Abfälle von der
nahen Müllkippe. Ich erinnere mich an seine
Aussage, alles tun zu wollen um seinen beiden Kindern eine bestmögliche
Ausbildung und Zukunft zu ermöglichen. Die meisten Eltern sind
überall auf der Welt unabhängig von ihren Lebensumständen
bemüht, es ihren Kindern leichter zu machen als sich selbst.
Ckastro
nutzt im Vorgarten des Künstlers die Gelegenheit, uns die Klick-
Sprache der Damara näher zu bringen. Dafür benutzt er eine
Tafel, auf der ein Beispiel für die Verwendung der mit der Zunge
erzeugten unterschiedlichen Klicklaute in Verbindung mit jeweils der
gleichen Silbe abgebildet ist. Der Einsatz eines falschen Klicks kann
zu einer völligen Sinnverfremdung führen. Aus "Lieben"
kann so "Töten" werden. Zufällig oder naheliegend?
Weiter
geht es zur Primary School von Mondesa. Das namibische Bildungswesen
ist dem englischen sehr ähnlich und gehört zu den besten in
Afrika. Die Alphabetisierungsrate der jungen Leute ist sehr hoch. Die
Grundschule dauert 7 Jahre und wird von allen Kindern pflichtmäßig
besucht. Danach können die Secondary School und die Pre- University
folgen.
Die Schulleiterin begrüßt
uns sehr freundlich und nimmt uns mit in einen Klassenraum, wo sich
die Kinder riesig über die Unterbrechung des Unterrichts
freuen. Wir staunen, dass fast alle Kinder aus der Township Schuluniform
tragen. Aber das gehört zum Erziehungssystem. Wir fotografieren
und filmen im Klassenraum. Die Kleinen sind ganz aufgeregt und begeistert
als sie sich selbst im Display der Digitalkamera oder des Camcorders
betrachten können. Es ist in Namibia
vielfach üblich, dass die Kinder zumindest während der Schulwoche
im Internat leben, da die Entfernung zur nächsten Schule ansonsten
den zahlreiche Farmkindern einen täglichen Schulbesuch unmöglich
machen würde. Dieses Problem stellt sich für die Kinder von
Mondesa aber nicht.
Wir besuchen eine "Kräuterfrau"
vom Stamme der Nama, die das Wissen ihrer Vorfahren über die Heilkräfte
der heimischen Pflanzen bewahrt hat. Sie reicht getrocknete Kräuter und
sonstige Pflanzen herum, so dass wir diese beschnuppern können.
Dabei erklärt sie deren Heilwirkung - jeweils übersetzt ins
Englische von Ckastro. Von dem ganzen Zeug ist mir nur die "Teufelskralle"
bekannt, die auch in Deutschland zunehmend Anhänger findet. Danach
geht es zur "Oma". So nennt Ckastro die 82- jährige Frau,
die Oberhaupt und Ratgeber der hiesigen Damara- Sippe ist. Sie erzählt
uns von den Zeiten der deutschen Schutztruppen und der südafrikanischen
Apartheitspolitik. Die Deutschen hat sie in guter Erinnerung, sagt sie.
Die deutschen Kolonialisten hätten sich immer respektvoll und fair
verhalten gegenüber der heimischen Bevölkerung. Wir wissen
nicht, ob sie das wirklich so meint.
Es ist Mittagszeit. Wir
kehren ein in einer kleinen Township- Bar. Hier gibt es Bier und Coke
und einen uralten Pool- Billardtisch, wo sofort ein Spiel zwischen Besuchern
und Einheimischen beginnt. Das Ergebnis ist unerheblich. Danach wird
uns nebenan ein traditionelles Damara- Essen serviert. Das besteht aus
Zutaten, die keiner von uns jemals gesehen, geschweige denn gegessen
hat. Die Namen für die einzelnen Speisen bzw. Früchte sind
uns so fremd, dass ich sie hier nicht erwähne. Einzig
die eiweißreichen ca 3 cm langen Mopane- Raupen ("caterpillar"),
die uns gegrillt serviert werden, seien erwähnt. Die Raupen
sind eine wichtige Nahrungsquelle im Norden Namibias und in Botswana.
Gegessen wird mit den Fingern. Ich probiere eine Mopane- Raupe mit
etwas Hirsebrei und wildem Spinat. Sie schmeckt zäh wie Gummi.
Zudem weckt das Bewußtsein, auf einem Insekt herumzukauen, keinen
Appetit bei mir. Der jungen Französin aus unserer Gruppe schmecken
die Raupen sichtbar besser. Sie verköstigt mindestens 15 Stück
davon. Dazu gibt es ein aus Hirse vergorenes Getränk, das mich
ebensowenig anturnt.
Für die Tour zahlen wir umgerechnet 30 EUR p.P. und haben ein gutes Gefühl dabei zu wissen, dass dieses Geld unter den Beteiligten und Besuchten der Tour verteilt wird und somit ein nicht unerhebliches Einkommen für die Bewohner darstellt.
Am Abend gönnen wir uns einen für unseren Geschmack wirklichen kulinarischen Höhepunkt. Wir essen in der "Kupferpfanne". Ich wähle als Vorspeise "Oysters aú gratin" (superb!), als Hauptgericht "Klipfish a la Muliere" (ebenfalls superb), dazu einen südafrikanischen Wein, Bushman´s Creek Sauvignon Blanc. Eine vorzügliche Kombination! Das Marzipaneis zum Dessert ist auch nicht zu verachten. Die Kupferpfanne kann ich nur wärmstens empfehlen, Service und Qualität der Speisen sind ausgezeichnetet. Im Nachhinein ärgere ich mich, dass ich nicht schon am ersten Tag die herrlichen Austern verköstigt habe, deren Qualität auch nach Expertenmeinung noch über die der französischen Atlantikküste hinausreicht.
-> weiter zu Teil 4: Twyfelfontein und Palmwag