Tag 9: Es geht wieder ins Landesinnere. Die heutige Tagesstrecke führt über Wlotskasbaken und Hentiesbaai ins Damaraland zur 5 Stunden entfernten Twyfelfontein Lodge. Auf der Straße bei Uis bieten Kinder die hier zahlreich vorkommenden Halbedelsteine zum Kauf an. Hererofrauen werben für handgefertigten Puppen mit ihrer traditionellen Tracht, den Kleidern im viktorianischen Stil mit mehreren Schichten von Röcken übereinander und den typischen kopftuchartigen Hauben, die an Rinderhörner erinnern.

An den wenigen Tankstellen auf der Strecke wird jeder Touristenwagen sofort von Kindern und Händlern umringt. Es wird dringend angeraten, das Auto stets verschlossen zu halten und, sollte man es verlassen, nichts zur offenen Einsicht darin liegenzulassen. Wir haben uns daran gehalten, fanden die Warnungen aber etwas übertrieben. Letztlich macht Gelegenheit bekanntlich auch bei uns Diebe.

Am frühen Nachmittag erreichen wir die Twyfelfontein Lodge, eine große Anlage, die sehr idyllisch direkt am Fuß der dortigen Sandsteinberge liegt. Die strohgedeckten Dächer der Wohn- und Wirtschaftsgebäude vermitteln eine urige Gemütlichkeit. Andreas hat in seinem Apartment einen Gast. Ein kleiner Vogel hat sich hierhin verirrt und sitzt jämmerlich piepend auf den Dachbalken. Da oben gibt es für ihn aber keinen Weg nach draußen. Nach zahlreichen Anläufen und mind. 90 min später faßt er sich aber doch ein Herz, im Sturzflug durch die offene Tür zu entweichen.

Die Lodge bietet eine abendliche Exkursion zu den Wüstenelefanten im Aba- Huab- Rivier an. Das klingt so interessant, dass wir uns dafür anmelden. Guide Siggi erwartet uns mit einem alten Mercedes- Allrad- Lkw, auf dessen offene Ladefläche Sitzbänke montiert sind. Siggi ist vor vielen Jahren aus Deutschland hierher gekommen und hat seitdem immer als Guide oder Reiseleiter gearbeitet. Heute hat er aber nicht seinen besten Tag. Trotz verzweifelter Suche findet er keine Elefanten im ausgetrockneten Flußbett. Dafür präsentiert er uns eine Bandscheibenteststrecke sondersgleichen. Ohne Rücksicht auf Mensch und Kamera heizt er mit dem fast ungefederten Lkw durch jede Bodenwelle und -steigung. Ein mitfahrender Lodgegast hatte erst vor kurzem zuhause einen Bandscheibenvorfall und bangt um seine Unversehrtheit. Es geht schließlich doch gut. Natürlich gibt es auch noch den unvermeidlichen Sundowner- Stop in der Savanne. Dennoch bekommt Siggi von keinem Teilnehmer ein Trinkgeld.

Das Dinner wird in Buffetform angeboten. Die Lodgegäste sitzen auf einer überdachten Terrasse, die an den Seiten durch fast unsichtbare Fliegengitter vor ungebetenen abendlichen Gästen geschützt wird - sehr atmosphärisch.

Tag 10: Am Vortag haben wir neben der Elefantentour auch noch gleich für heute morgen einen geführten Ausflug zu den berühmten Steingravuren, Petroglyphen genannt, gebucht. Hier bei Twyfelfontein gibt es eine Ansammlung von über 2500 Gravuren und Malereien, über deren Alter und Herkunft gestritten wird. Man schätzt das Alter auf mehrere hundert bis mehrere tausend Jahre. Und wer erwartet uns wohl mit seinem Allrader vor dem Lodgeeingang? Richtig, zu unserer großen Freude ist es - Siggi !

Doch heute verläuft die Tour ganz anders und Guide Siggi ist wie ausgewechselt. Die Anfahrt geht über eine Schotterpad bis zum Visitorcenter bei den Felsgravuren. Natürlich muss auch hier fürs Permit bezahlt werden. In unserem Fall ist es im Tourpreis enthalten. Jeder Besucher darf das Gelände zudem nur mit einem lizenzierten Guide betreten, für den man zusätzlich zu zahlen hat. Und nun beginnt Siggis große Stunde. Er führt unsere kleine 6- köpfige Gruppe und weiß mit vielen interessanten Erklärungen und Erzählungen zu glänzen. Er zeigt uns während des 2- stündigen Rundgangs neben abstrakten Darstellungen von Punkten, Kreisen und Linien die zahlreichen Bilder der afrikanischen Tiere. Hierbei beeindruckt, dass die Tiergravuren eindeutig zu identifizieren sind. Zudem werden oft die Fährten der Tiere anstelle ihrer Füße oder Hufe dargestellt. Bei manchen Darstellungen hängt es von der Tageszeit bzw. dem Sonnenstand ab, wie gut man sie erkennen kann. Die Petroglyphen von Twyfelfontein stehen übrigens vor der Aufnahme in die UNESCO- Liste des Weltkultur- und Naturerbes der Menschheit. Der Name Twyfelfontein ist zurückzuführen auf eine kleine Quelle im Gebiet der Gravuren, deren Entdecker berechtigten Zweifel (afrikaans: Twyfel) an deren Ergiebigkeit hatten.

Zurück am Wagen verteilt Siggi erstmal Getränke zur Erfrischung. Dann fahren wir zum Verbrannten Berg. Durch das Eindringen von vulkanischem Eruptivgestein in den hiesigen Schiefer und Sandstein oxydierte das Gestein und sieht seitdem verbrannt aus. Uns erinnert die Stelle an Schlackehaufen, wie man sie auf Zechengelände sieht - nicht sonderlich spektakulär. Letzter Haltepunkt der Fahrt ist eine Schlucht mit aufrecht stehenden Basaltsäulen, Orgelpfeifen genannt. Auch diese geologische Besonderheit hat vulkanischen Ursprung. An mehreren Orten auf der Erde sind ähnliche Steinformationen zu sehen.

Zurück in der Lodge packen wir in aller Seelenruhe unser Gepäck, checken aus und fahren weiter auf einer extrem schlechten Schotterstrecke Richtung nächstes Etappenziel, der Palmwag Lodge .

Zuvor müssen wir die "red line" passieren, eine Straßenabsperrung, die auf den historischen Veterinärzaun zurückzuführen ist. Es ist nicht erlaubt, rohes Fleisch in den Maul-und-Klauenseuche- freien Bereich Namibias mitzubringen. Befragt und kontrolliert werden natürlich insbesondere Campmobile. Uns erwarten dagegen mit beiden Händen winkende junge Männer, die auf unser linkes Hinterrad deuten. Den Reifen muss ich wohl unmittelbar vor der Strassensperre plattgefahren haben und es nicht am Fahrverhalten des Wagens gemerkt haben - nicht ungefährlich. Aber hier stehen ja viele hilfreiche Hände bereit, die den Radwechsel gern für uns übernehmen wollen. Die Aufhängung des unter dem Fahrzeugboden befindlichen Reserverads stellt sich aber als unlösbares technisches Problem für unsere Helfer heraus. Andreas löst die Aufhängung mit einem einzigen Handgriff, was ungläubiges Staunen bei den Hilfstruppen hervorruft.

Ein weiterer junger Mann fragt mich beiläufig nach meinem Namen sowie dem meiner Tochter. Kurze Zeit später bietet er mir Makalani- Nüsse zum Kauf an, auf die er mit einem kleinen Messer neben Löwe, Elefant und Giraffe jeweils die genannten Namen geritzt hat. Ich erkläre ihm, diese individuelle Anfertigung nicht bestellt zu haben und kaufe die Nüsse nicht. Aber das scheint für ihn übliches Geschäftsrisiko zu sein. Die hilfreichen Radwechsler bekommen von uns ein gutes Trinkgeld.

Hier oben im Norden gibt es übrigens keinen Radioempfang. Das hatte uns schon Uwe von der Ababis Gästefarm gesagt. Er behilft sich dann mit einem portablen Mp3- Player nebst Transmitter, so dass er während langer Fahrten auf einer festen Frequenz im Autoradio seinen Player hören kann. Eine gute Lösung!

In der Palmwag Lodge am Uniab Rivier bekommt jeder von uns einen eigenen, sehr geräumigen Grasdachbungalow. Die Lodge ist mit ihrem Restaurant, der Bar mit Wildbeobachtungs- Terrasse und der gemütlichen Poolbar in sehr schöner Umgebung an einem grünen Fleck Afrika mitten in der Savanne gelegen.

Zeit zum Relaxen! Wir öffnen wieder den Blick für die kleinen Sehenswürdigkeiten der Natur, z.B. Agamen, kleine Echsen mit orangefarbigen Köpfen, die mit Kapspatzen um einen Sonnen- und Futterplatz auf dem frisch gewässerten Rasen wetteifern.

Tag 11: Wir nehmen frühmorgens um 7 Uhr an einemGameDriveteil. Wie sich herausstellt, istdiese Tageszeitwesentlich ergiebiger für Wildbeobachtungen. Zumindest sehen wir zahlreiche Tiere: Giraffen, Oryx, Kudus, Springböcke, Kojoten, Strauße usw.

Schon seit einigen Tagen haben wir uns über die vielen kreisrunden Stellen in der Savanne gewundert, auf denen nichts wächst. Im Volksmund werden sie Hexenringe genannt. Hierfür gibt es neben völlig abwegigen Begründungen ("Hexentanzplatz", "Ufo- Landeplatz") bisher nicht bewiesene wissenschaftliche Erklärungsversuche ("Termitensiedlungen", "Standort einer abgestorbenen giftigen Pflanze, der Euphorbia"). Doch was ist richtig?

Mittagsruhe in der Lodge. Wir hängen noch gleich den Nachmittag dran. Es ist wirklich sehr erholsam, auch mal einen ruhigen Tag ohne anstrengende Exkursionen oder Langstreckenfahrten zu genießen. Am frühen Abend nehmen wir den an die Lodge angrenzenden "Elefant Walk" in Angriff, vor dem zugleich mit Schildern gewarnt wird ("Beware of elefants!"). Leider sehen wir auf dem Rundgang weder den Elefanten, der gestern abend vor der Restaurant- Terrasse stand, noch sonst einen weiteren Wüstenelefanten. Ich muss aber zugeben, dass wir uns während des Rundgangs durch ständiges Umsehen vergewissert haben, nicht von Elefanten oder sonstigen größeren Tieren überrascht zu werden bzw. diese Tiere unvermittelt selbst zu überraschen. Wie eine solche Begegnung verlaufen würde, kann ich nur vermuten. Am Horizont zieht ein Gewitter auf, es fallen auch einige wenige Regentropfen. Die kurzen Regenschauer der nahen Sommerzeit kündigen sich an.

An diesem Abend genießen wir einen der schönsten afrikanischen Sonnenuntergänge:

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