Tag 12: Ein Mitarbeiter der Lodge hat unseren defekten Reifen
repariert. Heute verlassen wir Palmwag. Über Kemanjab geht es zur Rustig Toko Lodge . Diese Lodge
ist eigentlich eine Gästefarm, was keineswegs abwertend gemeint
ist. Hier leiten Jürgen und Heidi Göthje die Farm,
Tochter Claudia
und einige Angestellte führen die Lodge. Es ist sehr familiär hier. Hier
fühlen wir uns sofort wohl, weil wir spüren, dass alle
hier um unser Wohlbefinden bemüht sind. Die Zimmer sind komfortabel
und geräumig. Die vielfältige Vogelwelt gab der Lodge den
Namen. Es gibt hier über 200 verschiedene Vogelarten, darunter
den krummschnabligen Monteiro Toko, manchmal auch Nashornvogel genannt.
Von Ornithologen wird die Toko Lodge deshalb besonders
geschätzt. Ich schließe Freundschaft mit einem der Farmhunde,
Cheeky, einem jungen Rottweiler, der beim einsetzenden leichten Abendregen
aufgeregt nach jedem Regentropfen schnappt.
Wir fragen Eric, den "Barkeeper",
was er denn so an Musik auflegen könne. Er hat nur CDs von Helmut
Lotti für die
Gäste da und meint, dass "The lion sleeps tonight" auch
von HL sei. Ja, so kann man irren... Als ich ihn auf aktuelle namibische
Rap- Musik anspreche, z.B. von The Dogg, staunt er nicht schlecht, dass
ich den Namen der Band kenne. Ich hatte mich bei www.nammusic.com ein wenig umgesehen.
Auch hier auf Rustig Toko wird natürlich geduzt. Nur unter den Gästen (neben uns Deutschen noch 2 Holländer und 3 Schweizer) bleibt man beim zurückhaltenden "Sie". Eine irgendwie ungewöhnliche Situation. Abends hat Jürgens Schwester Sigrid gekocht. Sie hilft hier gerade aus, wohnt aber sonst in Otjiwarongo. Es gibt Kudu- Braten in Meerettichsauce und Oryx- Steaks, beides ganz dünn aufgeschnitten und superlecker. Dazu einen erfrischenden Gurken- Paprika- Salat.
Wir sprechen über Sinn und Zweck einer Malaria- Prophylaxe in dieser Jahreszeit und Region. Sigrid erzählt von einer Apothekerin in Windhoek, die ein sehr verträgliches homöopathisches Malaria- Mittel entwickelt habe, das sie in der Namib Pharmacy (Independence Ave., am Glockenturm) verkaufe. Für eine Dosis von 10 Kügelchen, Globuli genannt, nimmt sie nur 5 N$ ! Der Antritt der Apothekerin, das preisgünstige Präparat flächendeckend zu vertreiben scheiterte bislang mangels mehrjähriger Testreihen am Veto der Pharma- Industrie.
Tag
13: Nach dem Frühstück fahren wir mit Jürgen im Toyota
HiLux, dem beliebtesten, weil zuverlässigsten Geländewagen
Richtung Norden ins Kunene- Gebiet. Da die einzige Zufahrtsstraße
gerade ausgebaut wird, müssen wir zunächst eine 70 km lange
parallel dazu angelegte Behelfsstraße fahren. Dann wieder Schotter-
Pads. Wir haben ca 250 km zu fahren bis wir nach 4 Stunden Opuwo erreichen.
Hier beginnt Schwarzafrika. Das Straßenbild unterscheidet sich
merklich von den bisher gesehenen Ortschaften. Neben einigen Supermärkten
und 2 Tankstellen gibt es unzählige Bretterbuden, hinter denen
sich einfache Kneipen und Läden verbergen. Auf der Straße laufen neben Anzug
tragenden Verwaltungsleuten barbusige Himbafrauen und Himbamänner
in Stammestracht. Hier prallen Kulturen aufeinander.
Wir
sind in den Norden gefahren um ein Himbadorf in der Nähe zu besuchen,
deren Bewohner Jürgen persönlich kennt.
Halt an einem Supermarkt: Jürgen kauft Maismehl, Brote, Vaseline und künstliche Haarzöpfe als Gastgeschenk für die Himbas ein. Er wird von einer jungen, ärmlich gekleideten Frau, die 2 kleine Kinder mit sich herumträgt, angesprochen - wie sich draußen herausstellt, will sie in das Himbadorf mitgenommen werden. Sie ist eine Tjimba, was "Erdferkel" bedeutet , und gehört damit einem Stamm an, der im sozialen Ansehen noch unter dem der Himba (wörtlich "Bettler") steht. Die Tjimba- Frau mit ihren beiden Kleinkindern läßt Jürgen auf die geschlossene Ladefläche des Toyota aufsteigen. Sie sitzt da zwischen den eingekauften Vorräten, Reifen und sonstigem Material und ist glücklich, dass sie mitfahren darf.
Jürgen hat uns auf der Fahrt hierher vieles über die Himbas erzählt. Wir haben gehört, dass ihre Lebensgewohnheiten nicht das Mindeste mit europäischen Werten zu tun haben. Himbas gehen für westliche Verhältnisse gnadenlos mit sich selbst und der Natur um. So töten sie ein Rind z.B. indem sie es langsam erwürgen. Im Alter von 10 bis 12 Jahren werden den Mädchen und Jungen im Rahmen einer rituellen Zeremonie die vier unteren Schneidezähne ausgeschlagen und die Jungen beschnitten.
Himbafrauen
waschen sich ihr ganzes Leben lang nicht. Ihre Körperhygiene besteht
lediglich aus einem morgendlichen Einräuchern beim Verbrennen spezieller
Kräuter und aus dem Einreiben des Körpers mit einer selbstgemachten
roten Paste aus zerstoßenen Steinen und Tierfett bzw. Vaseline.
Diese Paste verleiht dem Körper die charakteristische rotbraune
Farbe, dient als Sonnenschutz und zur Insektenabwehr. Himbamädchen
gelten ab ihrer ersten Regelblutung als heiratsfähig. Die unterschiedliche
Haartracht der Frauen kennzeichnet den Familienstand bzw. die soziale
Stufe, wie z.B. Waisen, Pubertät, heiratsfähiges Alter oder
verheiratete Frau.
Unterschiedlich kennzeichnende
Haartrachten gibt es auch für die Männer. Die Männer der Himbas sind oft tagelang
mit ihren Rindern unterwegs oder arbeiten während der Woche auf
Farmen oder bei anderen Arbeitgebern. Während dieser Zeit nehmen
es die Himbafrauen mit der ehelichen Treue nicht immer so genau. Das
gilt natürlich auch für die Männer. Wird ein Kind außerehelich
gezeugt, gilt es dennoch immer als Kind des Mannes, der mit seiner Mutter
verheiratet ist.
Es
sind ca 15 km bis zum Himba- Dorf. Den Kontakt zu den Einwohnern des
Kraals hat Jürgen schon vor Jahren gefunden. Zunächst scheint
der Kraal ziemlich menschenleer. Jürgen meint aber, es dauere nicht
lange, dann hätten sich alle Frauen der näheren Umgebung hier
eingefunden, da unser Toyota längst bemerkt worden sei. Wir werden
von der 41- jährigen Kraalchefin empfangen. Sie lädt uns drei
in ihre Hütte ein. Hier lebt sie mit ihrem Mann, ihrer Tochter
nebst Schwiegersohn und Enkel. Die Hütte ist kreisrund mit einem
Durchmesser von ca. 4-5 m. Die Himbafrau demonstriert uns die Herstellung
der roten Hautpaste. Dann mörsert sie draußen Maiskörner
mit einem Stein und reicht uns das Mehl zum Verköstigen. Inzwischen
haben sich - wie von Jürgen vorausgesagt - ca. 20-30 Frauen mit
Kindern in einem Halbkreis in der Nähe hingesetzt und vor sich
selbst hergestellte Souvenirs ausgebreitet, Schmuck aus Telefondraht
und Granatenhülsen, Ketten, Armreife und Anhänger aus Stein,
Holz und Knochen sowie geschnitzte Puppen, eingerieben mit der typischen
roten Paste.
Ich
kaufe eine der kleinen Holzfiguren. Die jungen Mädchen und Kinder
tanzen und singen für uns. Einige Himbamänner sitzen in einiger
Entfernung und schauen dem Treiben gelassen zu. Als Jürgen ihnen
in ihrer Sprache erzählt, Andreas und ich kämen aus einem
Land, wo es Häusern gäbe, die bis an die Wolken reichten,
schütteln sie ungläubig die Köpfe.
Danach überreicht
Jürgen die mitgebrachten Warengeschenke an die Kraalchefin. Sie
wird später die Verteilung vornehmen. Sie gibt auch gleich eine
gezielte Bestellung für das nächste mal auf, wenn Jürgen wieder mal mit Farmgästen
vorbeischauen wird.
Wir sind uns bei den Himbas nicht als "Heuschrecken" vorgekommen, die mit Ihren Kameras in Kraal eingefallen sind, sondern als Besucher, die großzügige Gastgeschenke dafür mitgebracht haben, einen kleinen Einblick in das Dorfleben zu bekommen. Zudem haben die Himbas seit vielen Jahrzehnten Kontakt zur sogenannten Zivilisation, so dass auch der mögliche Vorwurf, urzeitliches Stammesleben wie bei den Yanomani- Indianern Südamerikas zu zerstören, haltlos ist. Unser Besuch war durch gegenseitigen Respekt geprägt.
-> weiter zu Teil 6: Etosha National Park