Mittwoch, 07.11.2007

Wir verlassen Hazyview Richtung Pretoria, das heute Tshwane heißt. Dieser Name bedeutet "wir alle gemeinsam" und steht symbolisch für das Postulat der Verfassung, die Schwarzen, Farbigen und Weißen eine gleichberechtigte Stellung in der neuen Republik gibt. Nach hunderten von Kilometern, die wir entweder zum Dösen und Schlafen nutzen oder aber in unseren Gesprächen viel zu Lachen haben, erreichen wir das 1949 eingeweihte "Voortrekker Monument" des alten Pretoria, das architektonisch an das Völkerschlachtdenkmal in Leipzig erinnert. Ich bin gelinde gesagt entsetzt über diese Kultstätte nationalistischer weißer Südafrikaner, an der die Eroberung des schwarzen Kontinents durch weiße Siedler heroisiert wird. Alles getreu dem Schema "weiße Heldensiedler vs. schwarze Unmenschen bzw. Untermenschen" - eine fatale Parallele zu den Nazis im III. Reich.

Dann geht es ins Stadtzentrum von Tshwane. Die City war zu Zeiten der Apartheid für die schwarze Bevölkerung eine "no go area". Dafür findet man heute nur noch eine Handvoll Weiße auf den Straßen. Sie haben sich in die schwerbewachten Vororte und Randbezirke von Tshwane zurückgezogen. Armut in einer Gesellschaft mit krassen sozialen Unterschieden zieht immer auch Kriminalität mit sich - eine Erfahrung, die wir auch in Europa zunehmend machen müssen. Hier allerdings ist es ein den Alltag beherrschendes Problem. Ich bin ganz ehrlich, die Erzählungen von der enorm hohen Kriminalitätsrate in den Innenstädten Südafrikas habe ich für die üblichen Sicherheitswarnungen von Reiseleitern gehalten. Das was ich gesehen habe, hat mich desillusioniert, ja teilweise an die apokalyptischen Bilder des düsteren Science Fiction- Films "Die Klapperschlange" von John Carpenter erinnert. Das mag krass klingen, ich wäre sehr froh, wenn sich dieser Eindruck durch die künftige Entwicklung nicht manifestieren würde.

Wir machen einen Stop am De Beers Building, dessen Architektur von einem deutschen Stararchitekten einem Diamanten nachempfunden wurde. Viel eindrucksvoller ist für uns aber der Besuch im "Muti- Shop", wo sämtliches Zubehör für traditionelle afrikanische Medizin ("umuthi"), also Tierhäute und getrocknete Organe, Knochen, Wurzeln und was weiß ich noch, ganz oder pulverisiert, abgemischt und verkauft wird. Die angebotenen Waren haben etwas extrem exotisches und werden nicht von jedem Magen vertragen...

Das Straßenbild von Tshwane ist geprägt durch zahllose Jakaranda- Alleen, die zu dieser Jahreszeit die ganze Stadt in einen lilafarbenen Farbenrausch verwandeln. Das ist besonders auf dem Hügel der Union Buildings zu spüren. Hier residiert die Regierung Südafrikas während der einen Hälfte des Jahres. Für die andere Jahreshälfte ist Cape Town der Regierungssitz. In den Gärten um die Union Buildings fordert ein kleiner schwarzer Junge die ganze Aufmerksamkeit der Gruppe mit seinen tänzerischen Darbietungen. Wirklich niedlich. Und sein Papa ist sichtlich stolz auf den kleinen Entertainer.

In den botanischen Anlagen sind zahlreiche blühende Strelizien (meine Lieblingsblumen), Lilien und Bouganvillas zu bewundern. Alle Grundstücke in diesem Viertel sind mit Elektrozäunen gesichert und werden von bewaffneten Security- Leuten bewacht. Ich frage mich, wie man auf Dauer in einem solchen Hochsicherheitsgefängnis leben kann...

Wir erreichen unser nächstes Hotel, das Garden Court Sandton City im Johannesburger Stadtteil Sandton. Dieses Hotel liegt gegenüber der Betonburg der Sandton Square Towers an einer viel befahrenen Straße. Es hat die Qualität eines Tagungshotels und bietet den üblichen Businesshotel- Komfort. Natürlich ist das der krasse Gegensatz zur Lodge- Romantik in Hazyview und natürlich auch zu der bedrohlichen Atmosphäre der Innenstadt. Abends essen wir in einem "Game- Restaurant" in der Mall des Nelson Mandela Square. Es gibt Elan- Antilope. Südafrikanisches Wild habe ich allerdings schon wesentlich besser zubereitet in Namibia gegessen.

Donnerstag, 08.11.2007

Der heutige Tag soll uns die Apartheid- Vergangenheit Südafrikas näherbringen. Und viele von uns sehen diesem Tag mit gemischten Gefühlen entgegen. Schon der erste Programmpunkt, der Besuch des Apartheid- Museums wird uns sehr bewegen. Hier wird der Alltag der bis Anfang der 90er Jahre vollzogenen Rassentrennung lebendig. Die eine Hälfte von uns bekommt Eintrittskarten mit dem Aufdruck "blankes", die andere Hälfte mit "nie blankes". Damit wird uns Besuchern ein Eindruck der rassistischen Separierung der Menschen vermittelt. In Abhängigkeit vom Aufdruck auf dem erhaltenen Ticket betreten wir das Museum durch eine Tür für Weiße und eine Tür für Nicht- Weiße. Daran schließt sich jeweils ein durch Gitter von den anderen getrennter Gang an, worin ehemalige Ausweise der beiden Rassen ausgestellt sind. Sehr beklemmend.


In den folgenden Ausstellungsräumen wird alles wieder lebendig, die Arbeit in den Minen, das ärmlich Leben in den Townships und Homelands, der alltägliche Wahnsinn, die brutale Niederschlagung der aufbegehrenden farbigen Bevölkerung. Bild- und Tondokumente sowie Gegenstände aus dieser menschenverachtenden Zeit halten die Erinnerung wach. Mich hat besonders der Raum mit den vielen Galgenstricken beeindruckt. Für jeden hingerichteten politischen Gefangenen hängt hier symbolisch ein Strick von der Decke. Dann steht man plötzlich vor dem riesigen Casspir, einem minengeschützten, gepanzerten Truppentransporter, der bei der Auflösung von Protesten und Niederschlagung von Unruhen eingesetzt wurde.

Auch die nachgebaute Gefängniszelle Mandelas auf Robben Island, ganze 1 mal 2 m groß, hinterläßt eine Gänsehaut. Wie konnte der Mann darin nur die jahrzehntelange Haft überleben? Unfassbar. Auch der als Tonaufnahme festgehaltene Kommentar des damaligen Justizministers Kruger zum gewaltsamen Tod des Apartheidsgegners Steven Biko läßt uns erschaudern. Kruger sagte wörtlich, der Tod von Biko lasse ihn kalt und erklärte wahrheitswidrig, Biko sei an den Folgen eines Hungerstreiks gestorben. Tatsächlich wurde er 1977 von Verhörbeamten erschlagen.

Aber dieses Museum endet, anders als die deutschen Gedenkstätten zum Holocaust, mit einer positiven Perspektive auf den neuen demokratischen Staat, mit den Friedensnobelpreisen für Mandela, De Klerk und Desmond Tutu, mit der jungen Verfassung, in der die Menschenrechte für alle Südafrikaner verankert ist.

Die Folgen der Apartheid sind auch heute noch spürbar, aber die politische Rassentrennung wird jetzt durch die Macht des Geldes, den Kapitalismus, ersetzt. Die reichen weißen wie auch schwarzen Bürger des jungen Staates leben in den ruhigen, sicheren Vororten, die Armen in den heruntergekommenen Innenstädten und den Townships bzw. den alten Homelands.

Der Besuch des Museums hinterläßt in unserer Gruppe viele nachdenkliche Gesichter.

Im Anschluß daran werden wir von einem Bus von Jimmy´s Face to Face Tours abgeholt, der uns nach Soweto, die "South Western Townships" von Johannesburg, bringt. Jimmy Ntintili persönlich übernimmt unsere Führung und spielt sofort den Juxmajor, was nicht jedem von uns gefällt. Wir stehen noch unter dem Eindruck des Apartheids- Museums. Sein Wahlspruch: "Ich bringe Freunde nach Soweto, nicht Kunden!" Aber zunächst suchen wir in Soweto ein kleines Familien- Restaurant namens "Robby´s Place" auf, wo wir im Wohnzimmer mit einem vorbereiteten Buffet bewirtet werden. Hier sollen auch schon deutsche Parlamentarier gespeist haben. Im Patio des kleinen Anwesens rühmt sich Jimmy seiner bisher prominentesten Gäste. Angeblich hat er schon Madonna und Boris Becker Soweto gezeigt. Nach dem Essen sehen wir aus dem Bus heraus noch, wie ein voll besetzter Polizeiwagen auf den kleinen Parkstreifen von Robby´s Place einbiegt. Die Polizisten hatten in einiger Entfernung darauf gewartet, dass wir das Lokal verlassen um jetzt die Reste des von uns bezahlten kleinen Buffets zu vertilgen.

Jimmy fährt mit uns durch Soweto. Man muss das gesehen haben: Soweto hat das größte Krankenhaus Afrikas, das Baragwanath Hospital, dennoch schwört die Mehrheit der Einwohner auf den Zauber- und Kräuterdoktor. Hier gibt es die mit Mauern bewehrten Wohnhäuser der wenigen wohlhabenden Schwarzen neben schäbigen Elendshütten aus Wellblech, barackenähnliche Männerwohnheimen, Slumvierteln und "Shebeens" genannten illegalen Kneipen. Hier findet man kleine Handwerksbetriebe sowie "Spaza Shops", in denen alles mögliche verkauft wird, Buden und Stände, Schulen und Gemeindehäuser. Hier wohnen mehr als 3,5 Mio. Menschen auf 130 qkm Fläche. Der Nahverkehr erfolgt mittels privatwirtschaftlich betriebener Sammeltaxis, Kleinbusse, die von zentralen Plätzen in Joburg abfahren.

Es geht vorbei an Straßenmärkten mit Geflügelkäfigen und Gemüseständen zu einem weiteren kleinen Museum, das den Aufständen gegen die Apartheid gewidmet ist. Jimmy führt uns zu einer Gedenkstätte, an der die in der Verfassung verankerten Menschenrechte in einem turmähnlichen Mahnmal verewigt sind.

Unser Weg führt weiter entlang der vielen illegal und provisorisch errichteten "Squattercamps" zu einem Waisenheim. Vornehmlich Aids- Waisen haben hier Aufnahme gefunden. Wir werden direkt in die Säuglings- und Kleinkinderstation geführt. Eine Schwester erklärt uns ihre Arbeit in diesem Kinderheim und bittet uns um Spenden. Da lassen wir uns natürlich nicht zweimal bitten und füttern einen bereitgestellten Umschlag. Die mitleiderregenden großen Augen der Kinder haben unsere Herzen geöffnet. Das Geld wird anschließend in unserer Anwesenheit gezählt und der Betrag in einem Spendenbuch festgehalten um Mißbrauch zu verhindern.

Letzter Stopp in Soweto ist das Mahnmal zu Ehren von Hector Peterson, dem 12-jährigen schwarzen Schuljungen, der 1984 zu trauriger Berühmtheit kam. Mit ihm zusammen demonstrierten hunderte von schwarzen Schülern friedlich gegen die Absicht der weißen Regierung, Afrikaans, die Sprache der Buren, als landesweite Pflichtsprache auch für die Schwarzen einzuführen. Von den anrückenden Polizisten wurden sie gnadenlos über den Haufen geschossen. Das Bild des sterbenden Hector Peterson ging um die Welt, macht bis heute betroffen und gilt als Auslöser für die blutigen Rassenunruhen, die daraufhin Südafrika für mehrere Jahre heimsuchten und letztlich das Ende der Apartheid besiegelten.

Ein sehr bewegender Tag geht zu Ende. Der uns immer wieder gegebene Rat lautet: Niemals Soweto auf eigene Faust besuchen! Mandelas Partei, der African National Congress (ANC), regiert mit einer absoluten Mehrheit von fast 70%. Vieles wurde erreicht, aber genauso vieles blieb bisher liegen. Und die absolte Macht verführt zum Aussitzen und auch zur Korruption, weshalb man für die nächsten Wahlen erdrutschartige Einbußen für den ANC vorhersagt. Das könnte der kurz nach unserer Urlaubsrückkehr gewählte neue ANC-Präsident Jacob Zuma verhindern. Doch der hat offensichtlich auch keine "weiße Weste". Wohin führt also Südafrikas Weg?

Rüdiger, Pascal und ich, wir wollen heute abend einen reinen Herrenabend in einem erstklassigen Restaurant verbringen. Das "Linger Longer" ist leider schon ausgebucht. Wir entscheiden uns für das "Pigalle", gelegen in den Michelangelo Towers gegenüber unseres Hotels in Sandton. Eine sehr gute Wahl! Das Pigalle ist ein absoluter Restauranttipp! Die vorzügliche Küche, Spitzenweine - u.a. vom Weingut Vergelegen -, ein kompetenter und professioneller Service und das gehobene Ambiente des Restaurants bescheren uns ein wahres Traum- Dinner.

Das klingt nach einem Tag in Soweto vielleicht dekadent, aber wir sind hier neben aller Betroffenheit auch im Urlaub. Wir helfen den Menschen von Soweto nicht durch einen Hungerstreik, sondern mit dem Geld, das wir hier ausgeben. Sie haben die Verbesserung ihrer Lebensumstände längst selbst in die Hand genommen. Ein gutes Beispiel dafür ist Jimmy Ntintili, unser Soweto- Guide, der wohl zu den derzeit 23 (inoffiziell spricht man sogar über mehr als 60) Millionären von Soweto gehört...

-> nächste Etappe: Gartenroute und Kleine Karoo

 

Hier gibt es den Reisebericht (Teil 2) als PDF zum Ausdrucken.
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