LISBOA - Lissabon, die Hauptstadt Portugals, ist die Weltschmerz- Metropole. Viele Gesichter ihrer Bewohner spiegeln eine tiefe Traurigkeit - eher untypisch für Südländer. Aber das ist mein subjektives Empfinden.

Do, 02.10.2003 Für drei Tage ist Lissabon Zwischenstation auf unserer Reise zu den Azoren. Meine Reisebegleiter sind Andreas und Dirk aus Wuppertal. Wir haben uns im Vorjahr auf der Reise durch Kuba kennengelernt.

Am Flughafen nehmen wir den Aerobus (Airport- Shuttle) bis zum Praça Marquês de Pombal, benannt nach dem Mann, der Lissabon nach dem verheerenden Erdbeben von 1755 wieder aufbaute. Der Bus hält an mehreren zentralen Plätzen im Zentrum und verkehrt alle 20 min. Das ist praktisch und die 5,65 € für das 3-Tage-Ticket, gültig für alle Busse, Bahnen u. Aufzüge, nicht aber für die Metro - wie oft zu lesen - (das Metro-Tagesticket kostet zusätzlich 1,40 €), sind unschlagbar günstig gegenüber 15 € für die Taxifahrt vom Flughafen zum Hotel.

Wir haben das Hotel Eduardo VII direkt am Praça Marquês de Pombal gebucht. Metro- und Busstation liegen direkt um die Ecke. Die auf 7 Hügeln (ich tippe eher auf 70) gebaute Stadt ist nichts für ungeübte Wanderer: Es geht ständig bergauf, bergab. Deshalb ist eine häufige Nutzung von Bussen, Bahnen und Aufzügen dringend anzuraten. Sie bieten zudem spektakuläre Aussichten.

2 1/2 Tage und 3 Nächte haben wir zur Erkundung Lissabons. Einen Weltrekord im Abklappern unzähliger Sehenswürdigkeiten wollen wir nicht aufstellen, sondern die Atmosphäre der Hauptstadt aufsaugen. Unser grob geplantes Programm beschränkt sich auf die alten Stadtteile Baixa, Alfama und Belém. Mal sehen, was daraus dann wirklich wird.

Die Vergünstigungen der sogenannten "Lisboa Card 72 H" (also für 3 Tage) muss man mit € 23,50 bezahlen, sie lohnt sich daher nur für eifrige (pausenlose) Museums- Besucher, nicht aber für uns.

Erst einmal haben wir Hunger. Wir nehmen die Metro bis zur Station Restauradores. In unmittelbarer Nähe, in der Rua Nova da Trindade liegt das Restaurant "Cervejaria da Trindade" (Bierhalle zur Dreifaltigkeit), das von fast jedem Reiseführer empfohlen wird: ehemaliges Kloster- Refektorium, Meeresfrüchte und frisches Bier in uriger Atmosphäre zu vernünftigen Preisen... Das können wir nur bestätigen und die Empfehlung -auch wegen der einmaligen Atmosphäre in den mit Originalkacheln von Luis Ferreira aus dem 19. Jh. getäfelten Speiseräumen- weitergeben! Wir machen noch einen kurzen Rundgang durch die Baixa und kehren per pedes über die Avenida de Liberdade zum Hotel zurück. Leider trägt aber auch der Absacker in der Panorama- Hotelbar nicht zu einer erholsamen Nachruhe bei. Ich habe das Gefühl, direkt neben dem Bordstein zu schlafen, so laut ist der Straßenverkehr zu hören.

Fr, 03.10.2003 Heute wollen wir das alte Lissabon in der Baixa, dem schachbrettartigen Stadtkern, und in der Alfama, dem ursprünglichmaurischen Gassengewirr rund um die alte Burg, erkunden. Wir beginnen unseren Rundgang mit einer Aufzugfahrt. Der neugotische schmiedeeiserne Elevador de Santa Justa nahe dem Rossio- Platz bringt uns auf 32 m Höhe. Es ist unverkennbar die Konstruktion eines Schülers von Gustave Eiffel. Von der oberen Plattform gibt es einen Übergang zum höhergelegenen Stadtteil Bairro Alto, der allerdings seit geraumer Zeit wg. Bauarbeiten geschlossen ist und wohl auch nicht so schnell wieder geöffnet wird... Wir klettern die enge Wendeltreppe zur Spitze des Aufzugturms hinauf. Hier oben gibt es ein kleines Cafe. Der wunderschöne Ausblick über die untenliegenden Straßen, Dächer und Plätze der Baixa ist aber gratis.

Wir erwischen eine alte Straßenbahn der legendären Linie 28 Richtung Alfama, die sich knarrend und knirschend durch die engen Gassen bergauf quält. Die "eléctrico" genannten Bahnen stammen noch aus der Zeit vor dem 1. Weltkrieg. Auch die Bezeichnung des Wagenführers stammt aus Großvaters Zeiten: "guarda-freio" = Bremsenwärter. Am Miradouro da Santa Luzia verlassen wir die Tram und genießen den Ausblick auf Alfama und die Tejo- Mündung, an deren Nordufer die Hauptstadt liegt. Wir amüsieren uns köstlich über drei portugiesische Männer, die sich wichtigtuerisch mit Händen, Füßen und Handys mit imaginären Gesprächspartnern unterhalten.

Dann beginnen wir den Aufstieg zur Burg, dem Castelo de São Jorge. Die Festung war nach der Vertreibung der Mauren durch Alfonso Henriques, dem ersten König Portugals, ab 1147 für kurze Zeit Sitz der portugiesischen Könige. Ein Flötenspieler mit Schellen an den Füßen spielt mittelalterliche Musik für eine "milde Gabe" der Touristen. So oder ähnlich muss es wohl tatsächlich vor vielen Hundert Jahren gewesen sein. Die Terrassen vor der Burg bieten eine einmalige Aussicht über die Stadt bis hin zu den futuristischen Türmen des neuen Einkaufszentrums Amoreiras am Stadtrand.

Der Rückweg führt uns bergab zur Kathedrale Sé mit ihrer wuchtigen romanischen Fassade. Das Innere ist düster und nüchtern, sicher auch eine Folge zahlreicher Erdstöße, die Lissabon in der Vergangenheit heimsuchten. Eines der folgenreichsten Erdbeben legte 1755 die Stadt in Schutt und Asche, woraufhin der damalige Erste Minister, Marques de Pombal, den sofortigen Wiederaufbau mit der heute noch in der Baixa erhaltenen rasterförmigen Straßenführung verfügte.

Unweit der Kathedrale finden wir eine Tasca, ein einfaches Lokal, wo wir für wenig Geld eine einfache Mahlzeit bekommen. Tascas werden überwiegend von den Einheimischen besucht. Wir setzen die Erkundung der verwinkelten Straßen und Gassen der Alfama fort bis wir die Eléctrico No. 28 in Richtung Bairro Alto nehmen. Die Fahrt geht bis zum Elevador da Bica, einer 100 Jahre alten Standseilbahn, die den Höhenunterschied zwischen Tejoufer und Oberstadt auf kurzer Strecke bewältigt. Es fahren jeweils gleichzeitig ein Wagen aufwärts und ein Wagen abwärts. Einen Fahrplan gibt es nicht, gefahren wird, wenn genügend Fahrgäste eingestiegen sind.

Wir setzen unseren Rundgang fort zum Chiaro, wo wir eine Bica, den Lissaboner Espresso, im Café a Brasileira, in den 20ern Bohème-Treff der Stadt, trinken wollen. Dieses Jugendstil- Café besitzt Kultstatus. Vor dem damals beliebten Künstlertreff steht, oder besser "sitzt" Fernando Pessaos -in Bronze gegossen-, der wohl berühmteste portug. Dichter des 20. Jahrhunderts. Der mit vergoldeten Spiegeln geschmückte Gastraum mit seinem Jugendstil- Interieur wirkt wie aus einer längst vergangenen Zeit und hat einen ganz besonderen Charme, dem wir uns nicht entziehen können.

Heute abend wollen wir einem weiteren Restaurant- Tipp folgen und nehmen am Cais do Sodré die Fähre nach Cacilhas am anderen Tejoufer. Hält man sich am dortigen Anleger rechts Richtung Brücke und wandert ca. 15 min an den verlassenen Kais entlang, stößt man ganz am Ende der Hafenanlagen auf das Restaurant Ponto Final mit seiner Außenterasse, von wo aus sich ein farbenprächtiger Sonnenuntergang über Lissabon verfolgen läßt. Das kleine Restaurant selbst bietet eine vortreffliche portugiesische Küche zu moderaten Preisen. Wir essen neben den üblichen Vorspeisen (Brot, Butter, Oliven, Ziegenfrischkäse u.a.) und einer Caldo Verde (typische Kohlsuppe) als Hauptgericht eine Riesenportion gegrillter Sardinen mit Kartoffeln und Salat sowie andere Meeresfrüchte und genießen dazu einen guten Wein. Als Dessert gibt es eine karamelisierte Süßspeise. Leise Jazz- Musik untermalt ein sehr atmosphärisches Essen, bei dem alles stimmt.

Sa, 04.10.2003 Belém steht auf dem Programm. Wir fahren mit der Straßenbahn No. 15 bis zum Torre de Belém, ursprünglich eine Bastion mitten im Tejo, heute durch Verengung des Flusses am Ufer stehend. Dieser im manuelinischen Stil vor ca. 500 Jahren erbaute Turm steht als Symbol für Portugals Zeit der Expansion. Hier starteten einst die großen Seefahrer, die die Handelsrouten entdeckten. Und denen hat das Salazar- Regime 1960 ein monumentales Denkmal errichtet, das Padrao dos Descobrimentos. Dieses Bauwerk erinnert an eine Karavelle. Der Infant Henrique ("Heinrich der Seefahrer") steht vorn am Bug, beidseitig gefolgt von portugiesischen Helden aus der Zeit der Entdeckungen. „Segelt hinaus über das Ende der Welt und findet den Weg zu den Reichtümern Indiens!“ So der Befehl, den Henrique seinen Kapitänen gab. Und die Seefahrer unternahmen das Abenteuer, die Portugiesen wurden neben den Spaniern das große Entdeckervolk.

Die Sonne brennt hier in Belem auch im Oktober unbarmherzig auf den Schädel. Wir nehmen erst mal einen "energy drink", so haben wir das portugiesische Bier (Sagres, SuperBock und Imperial) umbenannt. ("First we take Manhattan, then we take Belem...") Danach können wir das Hieronymus- Kloster in Angriff nehmen, wo heute Mittag mehrere Paare in der Kirche Santa Maria getraut werden. Die Bräute in ihren weißen Kleidern sehen hinreißend aus. Wir bewundern daneben auch noch die üppigen Dekorationen des Südportals und des Kreuzganges. Das Mosteiro dos Jerónimos ist unbestritten der Höhepunkt manuelinischen Architektur. Die Kirche beherbergt die Gräber der portugiesischen Könige Manuel I. und Joáo III. sowie das des Entdeckers Vasco (gesprochen "waschko") da Gama.

In Portugal bekommt man wunderbare Süßigkeiten und Gebäck. Unbedingt probieren: die Pasteis de Belém, warme Blätterteigküchlein mit Vanillepudding, in der Pastelaría de Belém (Rua de Belém), dazu einen "galao", Milchkaffee im Glas, oder "uma bica" - einen Espresso. Pastelarias bieten überwiegend süße Sachen an, z. B. Queijadas (Quarkküchlein), Broas (aus Kartoffeln und Mandeln), Arroz Doce (Milchreis), Toucinho do Céu (Mandeln und Zimt).

Andreas hat auf der Hinfahrt ein Hinweisschild auf ein "Carris- Museum" gesehen. Das besuchen wir jetzt. Es handelt sich um eine Ausstellung von historischen Exponaten des öffentlichen Personennahverkehrs: alte Busse und Straßenbahnen, für die sich aber nur Andreas begeistern kann.

Die Straßenbahn bringt uns weiter zum Cais do Sodré. Hier liegt auch die Markthalle Mercardo da Ribeira aus dem Jahr 1881. Auf der Empore entdecke ich dort ausgestellte alte Schwarz-Weiß-Fotos vom täglichen Leben Anfang des letzten Jahrhunderts:

Jetzt am Samstag- Nachmittag sind die Marktstände leergeräumt, dafür findet in einer großen Halle ein Tanzwettbewerb statt. Hieran wollen wir dann doch nicht teilnehmen und fahren lieber nochmal mit der Linie 28 durch die Alfama. Kurz vor dem Kloster São Vicente de Fora ist die Fahrt zu Ende. Wegen laufender Bauarbeiten an einem Haus hat man kurzerhand die Straße komplett gesperrt - auch für die Electrico. Das Kloster wurde übrigens auf Anordnung Alfonso Henriques´ gebaut, genau an der Stelle, an der die flämischen und deutschen Kreuzritter, die ihn bei der Eroberung Lissabons unterstützten, ihr Lager aufgebaut hatten. Die Straße direkt nebem dem Kloster führt zum Flohmarkt "Feira da Ladra" (Markt der Diebin), wo fast alles gekauft, verkauft oder getauscht werden kann. Hier werden gerade die Stände abgebaut - ein heilloses Chaos. Wir suchen uns in der Nähe ein Lokal und erfrischen uns mit einem weiteren Bier.

In Lissabon ist es für den Besucher ein Muss, einen Abend dem Fado zu widmen. Das wollen wir heute abend ebenfalls tun.

Der Fado ist Ausdruck der Saudade - der Sehnsucht. Fadosänger besingen ihre Liebe, ihre Stadt, die Leiden des Lebens, kritisieren die Gesellschaft und die Politiker. Der Name Fado kommt vom lateinischen "fatum" und bedeutet Schicksal, das Schicksal eines Volkes, das nicht abgewandt werden kann. Der Fado erzählt von der Macht der Seele, der Herrschaft des Herzens über den Verstand, die zur Verzweiflung führt. Die wohl berühmteste und meistverehrte Sängerin der neueren Geschichte dieses Gesangs war Amalia Rodrigues. Zu den neuen Fadistas gehören insbesondere die Sängerinnen Mariza und Mísia, Cristina Branco, der Sänger Camané und die Gruppen Quatro Ventos und MadreDeus.

In Lisboa gibt es viele Casas de Fado, also Fado- Lokale. Leider haben wir es versäumt, eine Tischreservierung für unsere ursprünglich 1. Wahl, das Parreirinha de Alfama, vorzunehmen. So landen wir um die Ecke in der Taverna d'el Rey , einem Fado-Lokal, das von der Fadista Maria Jô-Jô, geleitet wird. Auch hier wird zum Dinner Fado vom Feinsten mit wechselnden Sängern geboten.

Die Stadt Lissabon hat dem Fado übrigens ein eigenes Haus gewidmet, das Casa do Fado e da Guitarra Portuguesa ("Haus des Fado und der portugiesischen Gitarre"). Das Gebäude liegt in unmittelbarer Nähe unseres Fadolokals am Largo do Chafariz de Dentro und beherbergt u.a. ein sehenswerte Ausstellung über die Geschichte und die Welt des Fado. Ein Fado- Fan wird natürlich auch einen Besuch des Museu Fundaçao Amalia Rodrigues in der Rua de Sao Bento nicht versäumen.

"Es war ein gelungener Abend. Alle haben geweint." Dieses geflügelte Wort der Portugiesen, die sich gern als das traurigste Volk Europas bezeichnen, trifft auch den Kern unseres letzten Abends in Lissabon. Wir haben besonders über die Rechnung geweint: 200 € für drei Personen und ein durchschnitliches Essen... Dafür aber haben wir einen authentischen Fado- Abend erlebt.

So, 05.10.2003 Heute beginnt unsere Reise auf die Azoren. Wir fliegen nach Ponta Delgada auf der Insel Sao Miguel.
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